Friesenschnee
müssen, aber sein Verlangen nach dem vertrauten Körper war inzwischen unstillbar geworden. Die Luft brannte, und Angelika kannte aus altbekannter Übung die richtigen Griffe, um ihn nun vollends gefügig zu machen. Warum sollte er jetzt abwehren, wonach er sich sechs lange Jahre gesehnt hatte?
Glaube, Liebe, Hoffnung.
Ein Bad im Ganges
Nachdenklich legte Olli das Telefon beiseite. Diesmal hatte ihn Kommissar Hansen direkt angerufen, was ungewöhnlich war, denn normalerweise hielt der nur über Stuhr mit ihm Kontakt. Die Stimme des Kommissars erkannte er natürlich sofort, aber die Nachrichten, die er überbrachte, klangen ausgesprochen unerfreulich. Nach Lage der Fakten war anzunehmen, dass der Täter aus Halbedels Hamburger künstlerischem Umkreis stammen musste.
Patrick Immel war zwar wegen Rauschgifthandels und Erpressung einschlägig vorbestraft, aber in den letzten vier Jahren hatte er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen. Als gewalttätig galt er auch nicht, obwohl er von kräftiger Statur war. Er sollte irgendwann in den nächsten Tagen von der Hamburger Polizei verhört werden, aber Kommissar Hansen zweifelte nicht daran, dass er ein gutes Alibi aufweisen würde, auch wenn er am Abend der Tat nicht bei der Schauspieltruppe weilte. Als Hansen darum bat, gezielt bei Immel wegen möglicher Verwicklungen in Drogengeschäfte nachzuhaken, berichtete Olli von den Andeutungen über den Schnee. Hansen riet ihm daraufhin zur äußersten Vorsicht. Auf die Nachfrage nach Stuhr konnte Olli auch keine Hinweise geben, wo der sich aufhalten könnte. Daraufhin beendete der Kommissar dankend das Gespräch.
Leider bekam Olli nur die Fernbedienung seiner Flachglotze in die Hand, die er am liebsten an der Wand zerschmettert hätte. Doch Wut ist ein schlechter Ratgeber, und so schlug er nur kurz mit der Faust auf den Tisch. Warum hatte er sich von Stuhr in diesen Fall hineinziehen lassen? Es war wieder einmal typisch: Stuhr war wie vom Erdboden verschluckt, und Olli musste mit seinem Hintern über die glühenden Kohlen reiten. Gut, am Anfang, bei dem Gespräch mit Lollo, war alles noch mehr oder weniger Spaß gewesen. Im Tanzcafé dagegen war es weitaus schwieriger, an Patrick Immel heranzukommen. Doch jetzt mit einem Drogendealer ins Gespräch kommen zu müssen, das war alles andere als prickelnd.
Wo Stuhr nur steckte? Jenny Muschelfang hatte bereits zweimal bei ihm nachgefragt, und jedes Mal hatte sie ihn gelöchert, ob er vielleicht nach Föhr gefahren sein könnte. Das konnte sich Olli jedoch nicht so recht vorstellen, denn besonders see- oder flugtauglich schien ihm Stuhr nicht zu sein. Aber da er mit dem alten Haudegen schon so manche Untiefe erfolgreich umschifft hatte, erteilte er Jenny aus alter Erfahrung nur vage Antworten, denn richtig helfen konnte man eifersüchtig nachforschenden Frauen sowieso nicht.
Die Tätowierung auf Hans-Haralds Hand kam ihm wieder in den Sinn. Er nahm sich einen Zettel und malte sie aus dem Gedächtnis nach. Erst oben ein J oder I, dann ein Querstrich. Darunter eine zwei. Offensichtlich ein Differentialbruch. Was sollte das bedeuten? Während er verzweifelt nach einer Lösung grübelte, klingelte sein Telefon wieder. Im Gegensatz zum letzten Anruf konnte er jedoch den Anrufer nicht anhand der Nummer identifizieren. Die barsche Stimme am anderen Ende weckte ihn unerwartet schnell aus seiner Grübelei. »Was soll denn dieser Zettel von dem Witwenstecher für mich? Du bist doch bestimmt die kleine Schwuchtel mit der Flitzkacke, die bei Lollo war. Hier auf dem Zettel steht zwar der Name von Robert, aber Lollo hat mir gesteckt, dass du Olli heißt. Richtig? Red’ jetzt keinen Scheiß, sonst ist unser Gespräch gleich zu Ende.«
Zweifelsfrei musste es sich um den erwarteten Anruf von Immel handeln. Mit dem Witwenstecher musste er Hans-Harald aus dem Tanzcafé meinen. Olli fiel es schwer, aufgrund dieser direkten Ansprache umgehend eine adäquate Antwort aus dem Hut zu zaubern. »Ja, das stimmt schon, ich bin Olli. Ich vermute, dass du Patrick bist, nach allem, was mir Robert über dich erzählt hat. Lollo hat mir verraten, wo ich dich antreffen kann. Ich soll dir nämlich persönlich einen letzten Gruß von Robert übermitteln.«
Immel reagierte jedoch anders als Lollo. »Von Robert? Leck mich. Der ist mausetot, und das wird er auch noch einige Zeit bleiben. Lass ihn still ruhen. Scheiß drauf, am besten lässt du mich auch in Ruhe. Ich bin todmüde. Sonst war nichts,
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