Friesenwut - Kriminalroman
Gefängnis – nee, ohne mich. Lever dood as Slav.«
»Herr Hajen, das muss doch erst
einmal alles verhandelt werden … Ihre Tat ist, also … irgendwie verständlich.
Sie haben gestanden, das wird das Urteil zu Ihren Gunsten beeinflussen. Ein
guter Verteidiger kann eine Menge rausholen, und der Richter wird Milde walten
lassen, da bin ich mir sicher. Sie sind ansonsten völlig unbescholten. Es
werden allenfalls wenige Jahre …«
Tanja Itzenga wurde
rüde unterbrochen: »Wenige Jahre? Wollt ihr mich für dumm verkaufen? Und wenns
nur fünf Jahre sind – ich bin weit über 70, da kann der Tod jeden Tag
anklopfen! Und jetzt noch weg? Ins Gefängnis? Das kann nichts und niemand von
mir verlangen. Nee, ohne mich. Ich geh nicht weg. Lieber erschieß ich mich hier
und jetzt, als mit euch Klugschnackern mitzugehen. Ihr habt doch keine Ahnung,
wollt nur die Akte schließen!« Hillrich Hajen senkte den Arm. Doch nur, um den
Revolver nun an seine rechte Schläfe zu halten. Er zog den Hahn. Nun brauchte
er nur noch abzudrücken …
Mit Entsetzen im
Blick beobachteten Itzenga und Ulferts die Szenerie. Martha Hajen weinte
bitterlich. Das konnte Hillrich ihr nicht antun! Doch gleichzeitig hatte sie
Verständnis für ihren Lebenspartner. Keine zehn Pferde würden sie hier
wegbekommen – und schon gar nicht so ein paar Polizisten. Niemand hatte
das Elend mit Frauke und Aldenhoff und die schweren Jahre danach verhindern
können, und jetzt wollten sie ihren alten Mann ins Gefängnis bringen. Martha
Hajen raffte sich auf: »Hillrich, du kannst mich doch nicht allein
zurücklassen!«
»Martha – ich kann das nicht,
das weißt du. Meine Kräfte sind dahin. Ein Leben lang schwere Arbeit und nun
das alles. Und ich habe ja Schuld … Ich werde gleich abdrücken.« Hillrichs
Augen schienen feucht zu werden, mit zitternder Stimme fügte er hinzu:
»Verzeiht mir!«
Die Anwesenden starrten ihn an.
War er noch so stark? Würde er es tun?
Tanja Itzenga sah
eine Chance – wenn er Schwäche zeigte, nicht ganz überzeugt schien, konnte
man ihn noch von seiner Tat abbringen. Polizeipsychologie, zweites oder drittes
Semester, Polizeifachhochschule Aschersleben, Sachsen-Anhalt. Ulfert Ulferts
hatte indes gesehen, dass seine Kollegen aus dem zweiten Streifenwagen sich,
für Hillrich Hajen unsichtbar, in der Nähe des Scheunentors aufhielten. Sie
wollten ihm mit ihren Kurzwaffen zuvorkommen, würde er auf Itzenga oder Ulferts
schießen. Jetzt, wo er den Revolver gegen sich selbst richtete, war eine neue
Situation eingetreten. Einer der Polizisten am Tor hatte leise per Handy
telefoniert, wohl Verstärkung angemahnt. Hoffentlich kamen die nun nicht mit
einem Höllenradau hier an – das konnte Hillrich Hajen zu einer
Kurzschlusshandlung verleiten.
»Herr Hajen, bitte,
lassen Sie den Revolver fallen, denken Sie an das Unglück, das Sie über sich,
ihre Frau und Ihre Tochter bringen!«
»Das Unglück war schon
da, als dieser Aldenhoff meine Tochter kennengelernt hat. Er hat ihr Leben
zerstört, und unseres ebenso. Deshalb haben wir uns auf dem Hof abgeschottet.
Ich bin alt genug. Ich mag nicht mehr. Nun habe ich einen Fehler gemacht und
werde dafür büßen … Das ist so in Ordnung.«
»Herr Hajen, das klingt
theatralisch – hören Sie auf! Es wäre ein zweiter riesiger Fehler, sonst
gar nichts. Was sollen denn Ihre Frau und Ihre Tochter allein machen?« Ulferts
versuchte es auf eine etwas rauere Tour. Das wirkte möglicherweise besser.
Hajen schien zu überlegen.
»Hillrich – lass
uns nicht allein!«, schluchzte Martha Hajen, und Hillrich schien das nicht
unberührt zu lassen. Immer noch stand er aufrecht auf dem Mähdrescher und hielt
den Revolver an die Schläfe.
Ulferts bemerkte zwei
in voller Montur schwarz gekleidete Männer, die soeben eingetroffen waren.
Scharfschützen. In nicht einmal 20 Minuten von Emden hierher, das ist ein
Rekord, dachte der Kommissar. Sie postierten sich neben ihren Kollegen und
legten die Gewehre an. Ulferts versuchte, ihnen ein Zeichen zu geben: bloß
keine vorschnellen Handlungen jetzt! Haltet euch zurück, im Hintergrund.
Einsatz nur, wenn es eskaliert. Sicherlich waren noch mehr Scharfschützen
gekommen, doch selbst Ulferts und Itzenga konnten sie im Moment nirgendwo
bemerken. Die verstanden ihr Geschäft. Höchstwahrscheinlich waren schon zwei, drei
Spezialisten über das Dach oder den Heuboden unterwegs, um möglichst nahe an
Hajen heranzukommen. Hier unten in der Scheune
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