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Frikassee zum Frühstück (ISAR 2066) (German Edition)

Frikassee zum Frühstück (ISAR 2066) (German Edition)

Titel: Frikassee zum Frühstück (ISAR 2066) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Pharo
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bildet. Der Geräuschpegel ist unerträglich. Die Sonne scheint von zwei Seiten ungehindert hinein und schon nach wenigen Schritten spüre ich, wie sich der Schweiß zwischen meinen Schulterblättern sammelt. Ich ziehe meine Jacke aus. Dem weißen Engel scheint die Hitze nichts auszumachen.
      Beinahe stolpere ich über zwei Alte – ich kann nicht erkennen, ob es sich um Männer oder Frauen handelt –, die über ein Schachbrett sitzen und wundere mich, wie geistig gesunde Menschen es hier aushalten können. In diesem Moment kribbelt es in meinem Nacken und ich drehe mich suchend um. Ein dummer Impuls und vollkommen zwecklos. Zu viel Hektik. Zu viele seelenlose Augen.
      Währenddessen schreitet der weiße Engel vor mir erhobenen Hauptes durch diese Vorhölle, saugt das Licht rundum ab und lässt das menschliche Elend noch jämmerlicher erscheinen.
      Da fällt mein Blick auf eine Frau, zumindest gehe ich davon aus, dass es eine ist, die wie eine Fliege beim Versuch nach draußen zu gelangen, immer wieder gegen die Glasfassade anrennt. Im Lärm geht das Bumm Bumm zwar unter, doch ich kann sehen wie die Glasfassade bei jedem Schlag leicht vibriert. Ich ringe mit der Fassung. Das Gesicht der Frau ist schmerzverzerrt und ihre Stirn blutet, was sie allerdings nicht zu bemerken scheint.
      „Selbstreinigend.“ Die Blondine ist stehen geblieben.
      „Wie bitte?“
      „Die Glasfassade.“ Sie lächelt. „Sie besteht aus selbstreinigendem Material.“
      Etwas verdattert blicke ich dorthin, wo die alte Frau immer wieder mit ihrer blutigen Stirn schlägt und tatsächlich: Der rote Fleck, den die Frau hinterlässt, verblasst nach wenigen Sekunden wie von Geisterhand. Ein Hoch auf die moderne Architektur!
    Während der halbstündigen Führung versuche ich so gut wie möglich, meine Umgebung auszublenden – und meine aufgeweichten Achseln. So recht will es mir nicht gelingen. So betreten wir einen Schlafsaal, in dem bunte Mobile von der Decke hängen, ein Atrium mit Sandkästen sowie einen Tanzraum, der sich nur dadurch vom Rest unterscheidet, dass die Musik doppelt so laut dröhnt wie im übrigen Komplex. Jetzt verstehe ich zumindest im Ansatz den Sinn von Selbstmord-Einrichtungen wie Hosianna oder Pfia di Gott .
      Als wir am Ende der Führung wieder im Foyer ankommen, weise ich auf eine rote Tür links von mir. „Und was befindet sich dort?“
      Der Engel lächelt. „Die geschlossene Abteilung. Sie wissen schon. Für diejenigen Gäste, die eine Gefahr für sich oder andere darstellen und besonderer Betreuung bedürfen.“
      „Darf ich einen Blick reinwerfen?“
      „Na ja … eigentlich … ist der rote Bereich für Besucher tabu. Die Therapie darf nicht unterbrochen werden …“
      Wieder lasse ich meinen Charme spielen, erzähle etwas von Tabus brechen und es funktioniert.
      „Na gut. Weil Sie es sind.“ Wieder trifft mich ein gurrender Blick aus blauen Augen.
      Innerlich mache ich mich aufs Schlimmste gefasst, als wir durch die rote Tür treten, doch abgesehen von festgezurrten Menschen auf weißen Matratzen, Gittern vor den Fenstern, pissgelben Räumen ohne Aussicht und Aufsehern mit grimmigen Gesichtern, ist alles wie gehabt.
      „Darf ich mich noch etwas umschauen?“, frage ich den Engel, als wir wieder den Hauptraum betreten. Ein weiterer Besucher hat sich angemeldet und erfordert ihre Aufmerksamkeit.
      „Wozu?“
      „Ich möchte die Atmosphäre noch etwas auf mich einwirken lassen.“ Beinahe hätte ich bitter aufgelacht. „Vielleicht mit dem einen oder anderen Insassen reden ...“
      „Wir bevorzugen die Bezeichnung Gäste .“ Ihr Lächeln verblasst, um einem sorgenvollen Ausdruck Platz zu machen. „Sie sollten aber wissen …“ Sie senkt die Stimme. „Die meisten hier sind nicht mehr ganz sie selbst, wenn Sie verstehen.“
      „Das weiß ich doch. Umso mehr bewundere ich die Arbeit, die Sie tun.“ Ich schüttele den Kopf. „Ich könnte das nicht. Ehrlich.“
      „Das können die wenigsten.“ Wie recht sie doch hat. „Na gut, schauen Sie sich ruhig um.“ Sie schenkt mir ein letztes Lächeln. „Aber bleiben Sie im blauen Bereich. Und nichts anfassen!“
      Ich zwinkere ihr noch einmal zu, dann wende ich mich schnell ab, bevor mir die Züge entgleisen – und blicke direkt in zwei glasige Augen, die mich vom anderen Ende des Raums aus fixieren. Ich ringe mir ein Lächeln ab und geselle mich betont gelassen zu den beiden Schachspielern.
      „Entschuldigen

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