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Frikassee zum Frühstück (ISAR 2066) (German Edition)

Frikassee zum Frühstück (ISAR 2066) (German Edition)

Titel: Frikassee zum Frühstück (ISAR 2066) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Pharo
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immergrüne Indoor-Weide für Nutztiere. Das Personal war handverlesen gewesen. Jeder Morgen wurde mit einem sonnigen Lächeln und einem Glas frischer Kuhmilch gestartet.
      Doch mit dem Bau der Biosphären fand die goldene Ära der Hacker-Kliniken ein jähes Ende. Ihnen wurde praktisch von einem Tag zum anderen der Geldhahn abgedreht. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde verscherbelt. Irgendwann fiel auch das Maskottchen der Hacker-Kliniken, eine grünäugige Kuh namens Hermine, einer nächtlichen Schlachtung zum Opfer. Das war der Anfang vom Ende. An die glanzvollen Zeiten erinnert heute nur noch das Alpenpanorama. Seitdem vegetiert dort der Aussatz unserer Gesellschaft: mittellose Alte. Die Angst der Sphärenbewohner, ihr Kapital zu verlieren und dort zu landen, ist entsprechend groß.
      „Lionels Großtante hat sich natürlich widersetzt“, klärt Ivy Füchtjohann die Unbekannte weiter auf. Ihre Stimme klingt erregt. „Zumindest in ihren klaren Momenten … Jaja, ich weiß! Lass mich weiter erzählen! Jedenfalls wurde sie zur Strafe nachts auf ihrer Bahre festgebunden und im stillgelegten U-Bahnhof in einen dieser alten, verrosteten Wagons gesperrt. Sedativa sind wohl zu kostspielig … Na, die ehemalige U6! Die führte damals direkt zum Forschungszentrum … Genau … Pass auf und jetzt kommt’s …“ Eine kurze Pause entsteht und ich warte gebannt auf die Fortsetzung. „Vor gut fünf Wochen sind Ratten durch ein Loch in der maroden Wand gelangt und haben sie angefressen ... Jaaa, wenn ich’s dir doch sage! Sie haben sich die ganze Nacht Zeit nehmen können, weil niemand nach der armen Frau geschaut hat … Meine Worte! Ein Skandal! … Am nächsten Morgen klaffte dort, wo die Nase sein sollte, nur ein Loch und auch beide Ohren waren bis auf einzelne Stummel weggenagt, außerdem noch Teile der Lippen und Wangen ... Ich schwör’s dir! Ihr Gesicht haben sie zwar wiederherstellen können, aber ihr Herz hat die Strapazen nicht mitgemacht. Die Klinikleitung hat natürlich alles vertuscht … Woher ich das weiß? … Von Lionel selbst. Jemand hat es ihm zugesteckt … Schlechtes Gewissen, nehme ich an …. Er war schockiert! … Ja, sogar er … Natürlich weiß ich das mit den Ohren und der Nase. Zufälle gibt’s, was? Hahaha! … Frag‘ mich mal! … Nein, der Polizei habe ich nichts darüber erzählt. Das wäre nicht gut fürs Business, wenn bekannt würde, dass unser Goldjunge ein herzloses Monster war … Klar fühle ich mich schlecht bei der Sache, aber mein ganzes Leben steckt in diesem Unternehmen, verstehst du? … Eben … Ich zähle auf deine Diskretion in dieser Sache. Schließlich sind wir sehr alte Freundinnen …“
      Während ich Füchtjohanns grausigem Bericht lausche, rufe ich Lionels Profil auf. Der klare Blick, das schüchterne Lächeln. Wie man sich doch täuschen kann.

5. Straight to the point
    Die Eigentümerin von ViveSenz irrt: Die Sache mit der Großtante ist sogar sehr gut fürs Business und beizeiten werde ich dieses Wissen geschickt platzieren. Zunächst aber werde ich den Hacker-Kliniken einen Besuch abstatten. Gut möglich, dass der Mörder von Lionel III. den Kommunikator an sich genommen hat, also muss ich dieser neuen Spur folgen.
      Nach zwanzig Minuten Fahrt durch das Ödland nördlich von München steige ich aus der verglasten Tube. Ein pinkfarbener Wegweiser mit der Aufschrift „Zu den Hacker-Kliniken“ führt aus der Station heraus in einen hell erleuchteten Gang. Meine Schritte hallen laut von den Wänden wieder und unwillkürlich blicke ich mich um. Aber außer mir ist hier keine Menschenseele. Einzig die Konterfeis bekannter Wissenschaftler an den Wänden, die an die ruhmreiche Vergangenheit des Garchinger Forschungszentrums erinnern sollen, schauen ernst auf mich herab.
      Die ersten Veränderungen treten nach etwa zweihundert Metern ein. Die Luft mutet plötzlich dicker an, irgendwie muffiger. Die Leuchtdioden werfen ein schwaches Licht auf den fleckigen Boden und weiter vorn im Gang erhasche ich eine Silhouette im Halbdunkel. Ein senkrechter roter Lichtstreifen an der Wand – eindeutiges Anzeichen für einen Ganzkörperscanner – deutet darauf hin, dass ich soeben eine andere Welt betreten habe. Zögernd setze ich einen Schritt vor den anderen, als wattierte Geräusche an mein Ohr dringen: mehrstimmiges Wehklagen begleitet von Pfeifen und Tröten.
      Die Silhouette vor mir nähert sich und ich mache einen ausgemergelten Körper in einem zu

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