Frisch gemacht!
ihren Allibert-Schrank, den Kurt mit in die Ehe gebracht hat, und sagt nur: »Du weißt ja, wie es geht. Toi Toi.« Mit dem Teststäbchen in der Hand sitze ich im Badezimmer meiner Schwester. Auf dem Wannenrand. Toi, toi, toi. Wofür eigentlich? Was wäre denn Glück? Ein Strich oder kein Strich auf dem Teststäbchen? Will ich schwanger sein? War ich nicht gerade erst schwanger? Ich bin komplett unentschlossen. Alles wieder von vorne. Nicht schlafen, komatös durch die Nächte wandeln? Andererseits riechen sie so lecker, diese frisch Gepressten. Und sie sind so anhänglich.
Meine Neugier steigt. Ich überlege kurz, ob ich so tue als ob und dann Entwarnung in die Kaffeeklatschrunde rufe. Das kann ich ja auch machen, wenn’s nicht stimmt, überlege ich und beschließe der Wahrheit auf den Grund zu gehen.
Arbeitslos werde ich sowieso bald sein. Bei den Quoten, die ich heute Morgen im Videotext gesehen habe, wird es unsere kleine Sendung eh nicht mehr lange geben.
Ich tue es. Mache auf das Stäbchen. Mittelstrahlurin ist der beste für den Test. Noch sicherer ist der erste Morgenurin. Aber dafür ist es zu spät. Wenn ordentlich Schwangerschaftshormon drin ist, wird es sich schon zeigen.
Ich warte. Stehe mit dem Stäbchen in der Hand und teste schnell nochmal die Waage meiner Schwester. Ein gutes Omen. Ich wiege zwei Kilo weniger als sonst. Trotz Klamotten und Stäbchen in der Hand. Entweder hat meine Schwester eine humanere Waage als ich, oder ich habe tatsächlich abgenommen. Der Kohlsuppe und der Übelkeit sei Dank. Noch acht Kilo, und Tussen wie die Mock können sich warm anziehen.
Nach drei Minuten ist er da. Der hellblaue Strich. Klar und deutlich. Ich lese viermal auf der Packung nach. Es ist eindeutig. »Zeigt sich ein farbiger Strich, sind Sie schwanger.« Ich bin also schwanger. Werde Mutter. Was mache ich jetzt mit der lauernden Meute da unten am Kaffeetisch? Lüg sie doch an, sagt der kleine Teufel in mir. Das geht die doch erst mal gar nichts an. Diese Sophie schon sowieso nicht.
So gestärkt trete ich den Gang in die Gartenmanege an. Alle sind wieder vollzählig am Tisch versammelt. Ich habe einen Auftritt, den mir Will neiden würde. »Und?«, schreit die Meute. Alle schauen. Ich kann es nicht. Ich kann nicht lügen.
Meine Mutter würde es eh sofort merken. Und irgendwie fühle ich mich gar nicht schlecht. »Tragt mich zum Liegestuhl, ich darf mich nicht anstrengen«, rufe ich meiner Familie zu. Christoph springt auf. »Heißt das, also heißt das, du bist schwanger?«, fragt er mich. »Es sieht verdammt
danach aus«, antworte ich ihm, und er fällt mir um den Hals. »Da können wir ja dann auch heiraten«, schlägt er vor, und alle klatschen begeistert. War das etwa jetzt mein Antrag? Wo sind die Blumen, der Kniefall und vor allem der Einkaräter? »Ich will einen Ring«, schreie ich quer durch den Garten, und Christoph sagt nur: »Heißt das ja?«
»Ja, ja, ja«, juchze ich und glaube, ich werde schon überrollt vom Glückshormon. Selbst aus dem Nachbargarten regnet es Glückwünsche.
Jeder umarmt jeden. Kurt kann sich ein: »Büchsenmacher, vielleicht klappt es diesmal« zu Christoph nicht verkneifen. »Ich liebe die Frauen«, gibt der sich ausnahmsweise souverän, »ich kann nicht genug davon haben.« Welch kluge Antwort. Er ist halt doch ein feiner Mann. Eine halbe Stunde später verkünden Sophie und mein Bruder Stefan, dass sie zusammenziehen. Das heißt, sie zieht zu ihm in die WG . Auch das eine große Nachricht. Mein Vater ist ganz euphorisch. Ich glaube, der hat jahrelang gedacht, sein Sohn könnte schwul sein. Die Männer- WG von Stefan war ihm unheimlich.
Als wir gegen sechs Uhr aufbrechen, verkündet auch Birgit noch schnell eine Neuigkeit. »Wir kaufen einen Hund«, will sie nicht zurückstehen. »Einen Golden Retriever.« Nichts ändert sich, auch wenn sich alles ändert. Birgit muss einfach mehr haben als ich. Es sei ihr gegönnt. »Jetzt zieht ihr bestimmt auch bald hier raus«, mutmaßt sie noch. »Drei Häuser weiter, die Becks, die ziehen im nächsten Sommer weg, soll ich mal vorfühlen?«, bietet sie sofort Immobiliendienste an. »Lass mal«, sage ich freundlich. Eins nach dem anderen.
Wir fahren heim. Ohne Claudia. Sie darf bei Desdemona, ihrer Kusine, übernachten. Nach einem Grillfest mit unserem gesamten Bekanntenkreis steht mir heute weiß Gott nicht der Sinn. Christoph erbarmt sich und sagt ab. Claudias längst verkrustete Windpocken sind eine perfekte
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