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Frostblüte (German Edition)

Frostblüte (German Edition)

Titel: Frostblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Marriott
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wurde. Es kippte nach vorn und ich konnte es gerade noch im letzten Moment auffangen.
    »Da wird gutes Essen an elendes Lumpengesindel vergeudet«, brummte der Mann auf der anderen Seite der Tür. Seine Schritte waren schwer, als er davonstapfte und wieder Licht in die Zelle fiel.
    Ich warf einen Blick auf das Tablett und erwartete höchstens altes Brot und schimmligen Käse. Doch stattdessen fand ich einen Tonteller mit ordentlich geschnittenem Fladenbrot und eine kleine Schale mit irgendwelchen gelben Erbsen. Es gab noch eine weitere Schale mit etwas, das ich trotz der merkwürdigen roten Farbe für Fleischeintopf hielt, außerdem einen Becher Wasser. Bis auf das Wasser dampfte alles leicht. Sie hatten mir sogar einen Löffel dazugelegt.
    Kein Wunder war der Mann erzürnt gewesen. Ganz sicher bekamen normale Gefangene kein solches Essen. Vielleicht hatte sich Livia für mich eingesetzt. Einen Moment lang wurde mir bei diesem Gedanken warm ums Herz, doch dann schüttelte ich ihn ab. Dumm. Es war bedeutungslos, wer das Essen hatte bringen lassen. Ich konnte mir nicht erlauben, hier irgendjemandem gegenüber Dankbarkeit zu empfinden. Nicht, wenn ich überleben wollte.
    Die Gerüche, die von dem Tablett aufstiegen, waren fremdartig und würzig, aber köstlich. Als ich mich umdrehte, weil ich mich auf die Matratze setzen wollte, rutschte mein Fuß in eine Vertiefung im Boden. Ich schwankte und konnte gerade noch das Tablett retten. Hier war etwas …
    Mein Hunger wurde sofort nebensächlich. Ich stellte das Essen und das Wasser auf dem Bett ab und kniete mich auf den Boden. Meine Fingerspitzen fuhren über die Planken und erforschten die Ecke der Zelle, wo der Boden abfiel. Mein eigener Schatten machte es unmöglich, irgendetwas zu erkennen, aber das war egal. Ich wusste, was ich da fühlte. Ein Spalt unter den Wandbrettern, der gerade breit genug war, um die ersten beiden Glieder meiner Finger darunter hindurchzuschieben.
    Die Aufregung ließ mich schneller atmen. Vielleicht hatte ein Tier versucht sich einen Weg ins Zelleninnere zu graben, vielleicht war die Erde vor kurzem bei einer Überschwemmung weggespült worden. Wie immer es passiert war, es gab einen Spalt.
    Ein beklommenes Gefühl ließ mich eine ganze Weile zögern. Was, wenn sie mich beim nächsten Fluchtversuch erwischten? Was, wenn dieser Spalt mit Absicht hier war, um mich auf die Probe zu stellen? Ich überging diese Ängste einfach. Sie durften mich nicht zurückhalten. Wenn ich hierblieb, würde ich mit Sicherheit sterben – oder töten. Die einzige Möglichkeit, dem zu entrinnen, war davonzulaufen.
    Und nun hatte ich einen Fluchtweg aus dem Gefängnis.
    Ich sah mich entschlossen um. Ich brauchte etwas, womit ich graben konnte. Der Eimer in der Ecke war zu morsch und alt. Der Schemel? Nein, der würde zu leicht vermisst, wenn ich ihn auseinandernahm. Mein Blick fiel auf den großen, grob gearbeiteten Metalllöffel auf dem Essenstablett. Er kam einem Spaten am nächsten. Doch wenn er beim Abholen des Tabletts fehlte, würden sie es bemerken. So etwas gehörte zu den Dingen, auf die Gefängniswärter achteten – deshalb gab es kein Messer.
    Ich würde den Diebstahl des Löffels durch ein größeres Vergehen tarnen müssen, etwas, das sie so gegen mich aufbrachte, dass sie den fehlenden Löffel erst bemerken würden, wenn es zu spät war.
    Ich erlaubte mir, das Wasser zu trinken. Meine Kehle war quälend trocken und wer wusste, wann ich das nächste Mal welches bekommen würde. Außerdem würde es niemandem auffallen, nachdem ich mein Werk vollendet hatte. Anschließend genehmigte ich mir noch zwei Mundvoll Erbsen, zwei Fleischbrocken und zwei Stückchen Fladenbrot. Die Gewürze brannten in meinem Mund, doch es war das Beste, was ich seit Wochen, vielleicht sogar seit Monaten gegessen hatte. Mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen und bettelte knurrend um mehr. Ich schenkte ihm keine Beachtung.
    Langsam und voller Bedauern trug ich das Tablett zur Tür und schob ein Teil nach dem anderen durch den schmalen Schlitz. Ich hörte, wie der dicke Tonteller und die Schalen zerbrachen, als sie auf die Erde polterten, und das Aufklatschen des vergeudeten Essens. Ich wollte das Tablett hinterherschicken – doch stattdessen wog ich es kurz in der Hand und zertrat es dann mit dem Fuß, nur eine Ecke ließ ich unbeschädigt. Die restlichen Teile warf ich hinaus. Das Tablettstück würde eine gute Schaufel abgeben.
    Mit Blick auf die Wand, an der das

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