Frostblüte (German Edition)
mit der Klinge abfangen würde. Ich zog die Axt und nutzte den Schwung, um mit einer schnellen Drehung mit dem Kopf der Axt auf Lucas Gesicht zu zielen.
Als Luca abwehrte, erwischte ich mit der Spitze der sichelförmigen Klinge sein Schwert. Ich machte eine Drehung, bewegte die Spitze und verlagerte mein Gewicht auf den hinteren Fuß, dann zog ich mit all der Kraft, die mir der Wolf verlieh.
Lucas Schwert fiel ihm aus der Hand.
Es schlitterte durch den Schnee und landete vor Arians Füßen. Arian stellte seinen Stiefel darauf und begegnete Lucas anklagendem Blick, ohne zu zucken. Luca wandte sich trotzig zu mir um und schien darauf zu warten, dass ich ihm den Todesstoß versetzte. Als ich das nicht tat, stürzte er sich auf mich.
Ich ließ meine Axt klirrend fallen und erlaubte ihm mich anzugreifen, dann nutzte ich die Beweglichkeit des Wolfes, um uns in der Luft zu drehen, so dass ich, als wir auf der Erde landeten, auf ihm lag. Ich packte seine Fäuste und drückte sie auf den Boden. Die Kraft, die ich brauchte, um ihn abzuwehren, brannte eiskalt in meinen behandschuhten Händen, ich stemmte die Knie links und rechts von ihm auf die Erde, um ihn festzuhalten.
»Warum hast du nicht zugeschlagen?«, wollte er wissen, seine Stimme klang brüchig, er keuchte. »Zum Teufel mit dir! Wir wollten bis zum Tod kämpfen. Verräterin!«
»Idiot«, sagte ich leise und sah in sein Gesicht.
»Nein. – Sieh mich nicht so an. Ich bin nicht mehr dieser Mann. Ich bin nicht derjenige, den du geliebt hast. Ich bin nicht mehr er.«
Langsam und vorsichtig griff ich nach den Verbänden, die um Lucas Gesicht gewickelt waren. Luca bäumte sich auf und trat wild um sich, aber er versuchte nicht, mich wegzustoßen. Seine Hände, die jetzt frei waren, verkrampften sich an seinen Seiten. Er biss die Zähne zusammen, als wolle er so alle Bitten in sich halten.
Die befleckten Verbände lösten sich, darunter kamen die Brandnarben zum Vorschein. Tränen rannen über die verkrusteten Wunden. Er versuchte den Kopf wegzudrehen. Ich streifte die Handschuhe ab und nahm sein Gesicht in meine kalten Hände. Ich küsste seine Stirn. Seinen Mund. Und dann, ganz sanft und voller Ehrfurcht, küsste ich die beiden kreuzförmigen Narben.
Er erstarrte unter mir.
»Das kannst du nicht tun«, flüsterte er. »Nicht nach dem, was er mir angetan hat.«
»Es ist mir egal , was er getan hat«, brachte ich heraus, meine Stimme versagte mir fast. »Nichts – nichts – kann die Gefühle zerstören, die ich für dich habe. Sie sind nun ein Teil von mir, ein Teil dessen, was mein Ich ausmacht.«
»Du weißt nicht, worauf du dich einlässt«, sagte Luca, seine Augen flehten um Verständnis. »Ich bin nicht mehr derselbe. Ich bin innerlich zerstört, leer. Es ist zu spät. Ich möchte … Ich möchte einfach nur tot sein. Er hat mir alles genommen.«
»Aber du bist nicht tot und niemand kann dir deine Seele nehmen. Die Götter nicht und auch Ion nicht. Erinnerst du dich?«
Ich rutschte nach hinten, nahm mein Gewicht von Lucas Brust und setzte mich auf seinen Schoß, während ich ihn vorsichtig aufrichtete. Meine Wange gegen seine gedrückt, fuhr ich zärtlich mit den Fingern durch seine seidenen, ungleichmäßigen Haarbüschel. Sein Geruch war noch immer derselbe. Mir war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr ich den Duft nach Geißblatt vermisst hatte. »Ich weiß, dass du dadrinnen bist. Ich weiß, dass der Mann, den ich liebe, noch am Leben ist. Ich werde dir das so lange wiederholen, bis du erkennst, dass es die Wahrheit ist. Komm zurück. Komm zurück zu mir.«
Irgendetwas schien sich in ihm zu lösen. Seine Arme schlangen sich um mich, drückten mich fest, so fest an sich. Er vergrub sein Gesicht an meiner Schulter. Sein Körper wurde von heiseren, beinahe unhörbaren Schluchzern geschüttelt.
Mein Blick begegnete Arians, der ein paar Schritte entfernt stand. Sein Lächeln ließ seine Augen strahlen, auf seiner Wange zeigte sich das Grübchen. Welchen Schmerz er auch empfinden mochte, als er mich so in Lucas Armen sah, er hielt ihn versteckt – und mir wurde klar, dass er ihn weder mir noch sonst jemandem je wieder zeigen würde. Er war ein zu guter Bruder. Ein zu guter Freund.
Er winkte mir kurz zu, dann nahm er den Stiefel von Lucas Schwert. Seine Lippen öffneten sich, als wolle er etwas sagen.
Ich fand nie heraus, was er gesagt hätte.
Arians Blick wanderte hoch, über meinen Kopf. Er sah mich entsetzt an. Dann warf er sich auf Luca und
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