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Frozen Time (German Edition)

Frozen Time (German Edition)

Titel: Frozen Time (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Lankers
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nicht. Ich kann mich an nichts erinnern.«
    Das Leuchten erlischt.
    »Versuch noch ein bisschen zu schlafen.« Sie klingt ernüchtert.
    Ich bin versucht, ihr die Wahrheit zu erzählen. Aber etwas in mir sträubt sich dagegen. Dann hat sie sich bereits abgewendet. Als die Glastür hinter ihr zugleitet, schließe ich erneut die Augen. An Schlaf ist allerdings nicht zu denken.
    In meinem Kopf tanzt das Bild herum, mit dem ich aufgewacht bin. Das Gesicht eines Jungen. Ein hübsches Gesicht. Strahlende blaue Augen, ein offenes Lachen, helle Haare, die das Gesicht wie ein leuchtender Kranz umrahmen.
    Ich weiß nicht, wer er ist. Ich weiß nicht, woher ich ihn kenne. Ob ich ihn überhaupt kenne. Dennoch beginnt mein Herz sofort wieder schneller zu schlagen, als ich mir sein Bild vergegenwärtige.
    Es ist nicht sein Aussehen oder sein Lächeln, was mich so berührthat. Es ist nicht die Tatsache, dass ich meine erste eigene Erinnerung wiedergefunden habe. Nein, was mich so durcheinanderbringt, ist das klare und absolut sichere Gefühl, das ich bei seinem Anblick empfinde: nämlich, dass dieser Junge und ich zusammengehören.
    Was ich aber nicht begreife, ist, warum ich aus meinem Traum von ihm voller Panik aufgewacht bin. Und warum ich mich plötzlich so schuldig fühle.

KAPITEL 2
    Meine Finger gehorchen mir wieder einwandfrei. Meine Arme kann ich heben und ablegen, ich kann essen und trinken, ohne dass meine Muskeln davon schmerzen. Ich kann mich sogar alleine aufrichten. Die Beine schiebe ich mithilfe meiner Hände über die weiche Kante des Luftbettes, auf dem ich liege. Doch wenn ich aufstehe, dann sacken sie unter mir weg und ich lande unsanft auf dem Boden. Ich habe es bisher nur einmal versucht. Sofort brach ein hoher Alarmton aus, und binnen weniger Sekunden tauchte Sara mit dem PhysioRob in meinem Zimmer auf, und die beiden beförderten mich zurück ins Bett.
    Sara bringt mir den PhysioRob jetzt zweimal am Tag. Jedes Mal habe ich den Eindruck, dass die Gewichte, gegen die ich arbeiten muss, schwerer geworden sind. Morgen, sagt Sara, wollen wir zusammen ein paar Schritte laufen.
    Ich sehe Sara nicht mehr so häufig wie am Anfang, meine Mahlzeiten bringt mir inzwischen ein ServRob, zum täglichen Waschen und für meine anderen Bedürfnisse kommt ein Sani-Rob. Ein bisschen vermisse ich Saras Erzählungen.
    Mehr als eine Woche ist vergangen, seit ich erwacht bin. Ich zähle die Tage, kann mich an jeden einzelnen von ihnen erinnern, aber nicht an einen einzigen Tag, der davor war.
    Sie haben mir das Band von der Brust genommen, das meinen Herzschlag maß und meine Atmung kontrollierte. Manchmal hole ich tief Luft und halte sie für einen kurzen Augenblick an, nur um mir selbst zu beweisen, dass ich es kann. Dann stoße ich sie wieder aus.
    Den Infusionshandschuh haben sie entfernt, auch den Monitor haben sie inzwischen abgeschaltet. Auf meiner rechten Seite sehe ich nun die Wipfel der Bäume, die sich im Wind wiegen. Manchmal entdecke ich einen Vogel, der sich auf einen Ast setzt, um eine kleine Pause auf seinem Flug einzulegen, bevor er wieder abhebt und aus meinem Sichtfeld gleitet. Man könnte glauben, ich würde aus einem großen Fenster schauen, aber ich weiß, dass es nur eine Projektion ist.
    Es gibt nichts mehr in diesem Raum, das mir etwas über mich verrät, und sei es nur über die Funktionen meines Körpers.
    Mit den Fingern meiner rechten Hand streiche ich sanft über das glänzende Insignal, das sich um mein anderes Handgelenk schmiegt. Darauf sind alle meine Informationen gespeichert. Mein Leben, an das ich mich nicht erinnere. Aber ich selbst kann das Insignal nicht auslesen, seine Daten sind mir verschlossen.
    Um meine Erinnerungen anzuregen, haben die Medis angefangen, mir Geschichtsdokumentationen zu zeigen. Es sind die gleichen Übertragungen, die die Juniors der Vereinigten Europäischen Nationen im Staatskundekurs in den JuniorLernCentern zu sehen bekommen. Ich kenne sie alle. Ich kenne ihren Inhalt.Ich kann mich nur nicht daran erinnern, sie jemals gesehen zu haben. Obwohl ich Sara gesagt habe, dass mir die Übertragungen bekannt sind, hört sie nicht damit auf, mir jeden Tag eine neue vorzuführen. Das gehöre zum Behandlungsprogramm, sagt sie. Order von oben. Bei einigen anderen Patienten habe es bereits gute Erfolge gezeigt.
    »Andere Patienten?«, frage ich überrascht. »Was für andere Patienten?«
    Aber Sara wendet sich schon zur Tür.
    »Zeit für eine kleine Geschichtsstunde«, sagt sie.

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