Frühstück mit Kängurus
ich aus Johannesburg ein, wo ich am helllichten Tage im Stadtzentrum in einer ziemlich haarstr ä ubenden Weise von einem munteren Tr ü ppchen Jugendlicher ü berfallen worden war, die mich mit locker sitzenden Messern bedrohten. Was war ich erleichtert, nun in einer Stadt zu sein, in der ich ohne die Angst herumwandern konnte, dass man mich in eine Seitengasse zerrte, mich meiner Besitzt ü mer beraubte und ausgiebig mit scharfen Instrumenten bearbeitete.
Aber selbst wenn man nicht gerade erst einem Anschlag auf sein Leben entkommen ist, ist Perth eine heitere, gastfreundliche Stadt. Zun ä chst einmal ist man entz ü ckt, dass man es ü berhaupt vorfindet, denn es ist die bei weitem abgelegenste Gro ß stadt der Welt, n ä her an Singapur als an Sydney, wenn auch beiden alles andere als nahe. Hinter ihm erstrecken sich eintausendsiebenhundert Meilen rote W ü ste bis nach Adelaide; vor ihm f ü nftausend Meilen nichts als ewig gleiches blaues Meer bis Afrika. Warum sich mehr als eine Million Mitglieder einer freien Gesellschaft daf ü r entscheiden, an solch einem einsamen Au ß enposten zu leben, ist eine Frage, die zu bedenken sich immer lohnt. Das Klima erkl ä rt vieles. Perth hat herrliches Wetter, menschenfreundliches Wetter - da pfeift der Brieftr ä ger, und die Lieferanten nehmen zwei Stufen auf einmal. Architektonisch ist Perth nichts Besonderes. Es ist eine gro ß e, saubere, moderne Stadt (Minneapolis auf der anderen Welthalbkugel), doch das klare, strahlende Licht macht es zu einer Sch ö nheit.
Nirgendwo reflektieren Wolkenkratzer einen blaueren Stadthimmel oder reineres Sonnenlicht als hier.
Einzigartig wird Perth indes durch den Besitz eines der gr öß ten und feinsten Parks auf Erden, des Kings Park. Der erstreckt sich ü ber tausend ansehnliche Morgen auf dem Steilufer ü ber dem breiten Becken des Swan River und ist alles, was ein Stadtpark sein sollte: Spielplatz, Zufluchtsst ä tte, Flaniermeile, botanischer Garten, Aussichtspunkt, Denkmal. Und so riesig, dass man nie das Gef ü hl hat, man habe alles gesehen. Der Gro ß teil ist konventionell angelegt, mit weiten Rasenfl ä chen, Wegen und Blumenbeeten, doch ein erhebliches St ü ck, vielleicht ein Viertel des Ganzen, naturbelassenes Buschland.
Und auf einem Bummel durch dieses wenig besuchte Buschland wurde ich Zeuge, wie eine kleine Fellkugel, die eigentlich so aussah wie die B ü rste an einer elektrischen Bohnermaschine, auf der einen Seite eines sonnigen Weges aus dem Gestr ü pp auftauchte und mit einem majest ä tischen Mangel an Eile auf ein identisches Gestr ü pp auf der anderen Seite zuging.
Als das Tier mich bemerkte, hielt es an. Es kugelte sich zusammen, seine gl ä nzenden schwarzen Stacheln zeigten gerade nach hinten; seine spitze Schnauze konnte ich nicht sehen. Doch es war ein Schnabeligel. Was anderes konnte es gar nicht sein. Ich freute mich wie ein Schneek ö nig. Nat ü rlich war das ein bisschen l ä cherlich, das gebe ich ja gern zu. In einem Land, das von eindrucksvollen, exotischen Lebensformen nur so strotzte, war ich v ö llig hin und weg, ein harmloses, lebendiges Nadelkissen in einem Stadtpark zu treffen. Egal! Es war ein Kloakentier - eine physiologische Anomalie, ein Wunder der Fortpflanzung, eine Rarit ä t vom einsamsten Zweig am S ä ugetierstammbaum. Als der Schnabeligel merkte, dass ich mich auf eine respektvolle Distanz zur ü ckgezogen hatte, entrollte er sich und watschelte weiter in den Busch.
Ich ging hocherfreut weiter auf dem Rundweg, zurück in den eigentlichen Park, und kam nach einiger Zeit zu einer herrlichen langen Allee mit großen weißen Eukalypten, die vor Jahrzehnten gepflanzt worden sind, um an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges zu erinnern. An jedem Baum war eine kleine Plakette mit lediglich den elementarsten Angaben zu einem gewaltsam abgekürzten Leben, und ich fand es unerwartet anrührend, als ich sie auf dem langen Weg durch die Allee eine nach der anderen las. »Zum ehrenden Gedenken an Capt. Thomas H. Bone, 44. Batt. Gefallen Passchendaele, 4. Oktober 1917, im Alter von 25 Jahren. Seine Frau und seine Tochter.« Es ist eine außerhalb Australiens wenig bemerkte Tatsache - und zumindest hier einer Erwähnung wert -, dass im Ersten Weltkrieg keine andere Nation, bezogen auf die Bevölkerungszahl, mehr Männer verlor als Australien. Bei etwas weniger als fünf Millionen Einwohnern hatte Australien erschreckende zweihundertundzehntausend Opfer zu beklagen - sechzigtausend
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