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Frühstück mit Kängurus

Titel: Frühstück mit Kängurus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill - Bryson
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1938 erschienenen The Passing of the Aborigines schrieb sie: »Der australische Ureinwohner kann allen Unbilden der Natur widerstehen, teuflischen Dürren und riesigen Überschwemmungen, wenn nötig, den Qualen von Hunger und Durst - doch der Zivilisation widersteht er nicht.« 1938 galt das vielleicht als einfühlsame und aufgeklärte Bemerkung, sie in modifizierter Form 1999 in einem Aborigine-Forschungszentrum zu lesen war deprimierend.
    Man muss kein Intelligenzbolzen sein, um zu erkennen, dass die Situation der Aborigines zeigt, wie sehr die australische Gesellschaft hier versagt hat. Bei buchstäblich jedem Indikator für Lebensstandard und -qualität - Krankenhaus- und Gefängnisaufenthalte, Selbstmordrate, Kindersterblichkeit, Arbeitslosigkeit, einerlei, was man nimmt - sind die Zahlen für die Aborigines zwei- bis zwanzigmal so schlecht wie die für die restliche Bevölkerung. Laut John Pilger ist Australien die einzige Industrienation, die hoch oben in der Häufigkeit der ägyptischen Augenkrankheit rangiert, einer Viruserkrankung, die oft zur Erblindung führt und von der fast nur Aborigines betroffen sind. Die Lebenserwartung der indigenen Australier beträgt im Durchschnitt zwanzig Jahre - zwanzig Jahre! - weniger als die der weißen Australier.
    In Cairns hatte ich zuf ä llig von dem Anwalt Jim Brooks geh ö rt, der jahrelang f ü r die und mit den Aborigines gearbeitet hat. Kurz vor Allans und meinem Abflug nach Darwin hatte ich ihn auf einen Kaffee in der Stadt getroffen. Der ruhige, lockere, auf Anhieb sympathische Mann, der genau das Ma ß an Ernsthaftigkeit ausstrahlt, das ihn veranlasst haben muss, f ü r die aus der Gesellschaft Ausgesto ß enen zu k ä mpfen und nicht sein Geld in einer Schickimickikanzlei zu scheffeln, leitet das Native Title Rights Office in Cairns, das den eingeborenen V ö lkern bei Fragen der R ü ckerstattung von Land hilft. Brooks war Mitglied einer Mitte der neunziger Jahre gegr ü ndeten Menschenrechtskommission, die ein unseliges soziales Experiment untersucht hat, das unter der Bezeichnung
    » Die Gestohlenen Generationen « l ä uft.
    Es war der Versuch der Regierung, die Aborigine-Kin- der von Armut und Benachteiligung zu befreien, indem sie sie von ihren Familien und Gruppen trennte. Niemand kennt die genauen Zahlen, doch zwischen 1910 und 1970 wurden ein Zehntel bis zu einem Drittel Aborigine-Kinder ihren Eltern weggenommen und in Pflegefamilien oder staatliche Ausbildungszentren gesteckt. Die Absicht war - und wurde damals als sehr fortschrittlich betrachtet -, sie auf ein erf ü llteres Leben in der Welt der Wei ß en vorzubereiten. Alles im Einklang mit den Gesetzen! Denn bis in die Sechzigerjahre hatten Aborigine-Eltern in den meisten australischen Bundesstaaten nicht das Sorgerecht f ü r ihre eigenen Kinder! Das hatte der Staat. Der Staat konnte Kinder jederzeit aus ihrem Zuhause rei ß en, mit jeder Begr ü ndung, die ihm angemessen erschien, ohne Entschuldigung oder Erkl ä rung.
    » Sie haben mit allen Mitteln versucht, den Kontakt zwischen Eltern und Kindern zu unterbinden « , erz ä hlte mir Jim Brooks. » Wir haben eine Frau gefunden, deren f ü nf Kinder in f ü nf verschiedene Staaten geschickt worden waren. Sie hatte keinerlei M ö glichkeit, mit ihnen in Kontakt zu bleiben, zu erfahren, wo sie waren, ob sie krank oder gesund, gl ü cklich oder ungl ü cklich waren, nichts. Haben Sie Kinder? «
    » Vier « , sagte ich.
    » Na, dann stellen Sie sich vor, dass eines Tages ein Kleinbus vom Sozialamt vorf ä hrt und irgend so ein Beamter an die T ü r kommt und Ihnen sagt, er nimmt Ihnen Ihre Kinder weg. Ernsthaft, stellen Sie sich vor, wie Sie sich f ü hlen w ü rden, wenn Sie nur noch dastehen k ö nnten und zusehen m ü ssten, wie man Ihnen Ihre Kinder aus den Armen nimmt und in ein Auto steckt. Stellen Sie sich vor, wie das Auto davonf ä hrt und Ihre Kinder weinen nach Ihnen und schauen Sie durchs R ü ckfenster an und Sie wissen, dass Sie sie wahrscheinlich nie wieder sehen werden. «
    » Stopp, nicht so hastig « , versuchte ich das Traurige der Situation durch Ironie abzuwehren.
    Er verstand mein Unbehagen und l ä chelte. » Und Sie k ö nnen absolut nichts daran ä ndern. Es gibt niemanden, an den Sie sich wenden k ö nnen. Kein Gericht ergreift f ü r Sie Partei. Und das ist Jahrzehnte so gegangen. «
    » Warum haben sie es auf eine so herzlose Art gemacht? «
    » Sie haben es ja nicht als herzlos betrachtet. Sie dachten, sie t ä ten was

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