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Frühstück mit Kängurus

Titel: Frühstück mit Kängurus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill - Bryson
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einem Nicken begr üß ten. Es war mir alles sehr vertraut. Allm ä hlich d ä mmerte mir, dass es hier so war wie im amerikanischen Mittleren Westen vor langer Zeit. In anderen Worten: Ich machte gerade die wunderbare, herzerw ä rmende Entdeckung, dass man in Australien au ß erhalb der Gro ß st ä dte immer noch das Jahr 1958 schreibt. Kommt einem fast unm ö glich vor, aber es stimmt. Ich fuhr durch meine Kindheit.
    Zum Teil lag es an dem wahnsinnig hellen Licht. Einem klaren, ungehindert einstrahlenden Licht, das nur bei richtig hei ß em blauen Himmel entsteht und bei dem es einem wehtut, wenn man einen Betonhighway anschaut und sich jede reflektierende Fl ä che ein bisschen weiter weg in ein kleines Flammenfunkeln verwandelt. Kennen Sie das, wenn manchmal an sch ö nen Tagen die Sonne besonders intensiv scheint und selbst die banalsten Gegenst ä nde in der Landschaft in einem ungew ö hnlichen Glanz erstrahlen, sodass H ä user und Geb ä ude, an denen man sonst vorbeif ä hrt, ohne sie eines Blickes zu w ü rdigen, bildsch ö n und interessant werden? Also, ich hatte den Eindruck, als g ä be es dieses Licht in Australien fast die ganze Zeit. Ich brauchte eine Weile, bis ich begriff, dass das das Licht der Sommer in Iowa war, und war dann schockiert, als ich begriff, wie lange es her war, dass ich dieses Licht zuletzt gesehen hatte.
    Es lag aber auch an der Stra ß e, dass ich mich in eine andere Welt zur ü ckversetzt f ü hlte. Fast alle australischen Highways sind immer noch blo ß zweispurig, und das macht in der Tat einen riesigen Unterschied! Es hat ja keinen Zweck zu hetzen, wenn man doch nur in dem Staub und Federgefussel des alten H ü hnerlasters eine halbe Meile vor einem landet.
    Also nimmt man den Fu ß vom Gas, entspannt sich und genie ß t die Szenerie. Den Arm aus dem Fenster, ein Finger auf dem Steuer, gondelt man geruhsam dahin. Das hatte ich seit Jahren nicht mehr getan. Ja, seit meiner Kinderzeit war ich so nicht mehr Auto gefahren. Ich hatte ganz vergessen, dass es Spa ß machen kann. Es war herrlich.
    Wie um diese angenehm nostalgische Art des Autofahrens noch zu unterstreichen, hatten sich auch die Radiosender in den Landst ä dten auf Songs l ä ngst vergangener Zeiten spezialisiert. Nicht Songs der Sechziger und Siebziger, nein, ä ltere, viel ä ltere. Vielleicht ist Australien das einzige Land auf Erden, in dem man ein Autoradio anstellt und eine doch handfeste Chance hat, Peggy Lee oder Julie London zu h ö ren, vielleicht sogar Gisele McKenzie, deren Popularit ä t in den F ü nfzigern nur einem gewinnenden L ä cheln zugeschrieben werden kann und dem Gl ü ck, in einem anspruchslosen Zeitalter zu leben. Vielleicht bin ich anma ß end, wenn ich australische Rundfunksender auf dem Land pauschal verurteile, denn ich habe w ä hrend meines Aufenthaltes nicht mehr als sechs-, siebentausend Stunden Radio geh ö rt - und eventuell ja was Gutes verpasst -, aber ich sage trotzdem: Wenn unsere modernen Denkm ä ler zu Staub und Asche zerfallen sind, wenn der Zahn der Zeit alle Spuren des zwanzigsten Jahrhunderts getilgt hat, wird mit Sicherheit irgendwo in einem australischen Landst ä dtchen ein Diskjockey sagen: » Und das war Doris Day mit ihrem Klassiker >Que sera, sera< « . Selbst das fand ich herrlich.
    Na gut, eine Woche lang.
    Und so fuhr ich dann gl ü cklich beschwingt durch Lithgow, Bathurst, Blayney und Lyndhurst und landete nachmittags in Cowra, einem ordentlichen St ä dtchen mit achttausendzweihundertundsieben Einwohnern im Lachlan Valley am Lachlan River. (Unser alter Freund Mr. Macquarie l ä sst nat ü rlich gr üß en.) Ü ber Cowra wusste ich nichts, erfuhr aber fix, dass es in Australien wohl bekannt ist wegen des ber ü chtigten Ausbruchs von Cowra.
    W ä hrend des Zweiten Weltkriegs befand sich direkt neben der Stadt ein gro ß es Kriegsgefangenenlager mit zweitausend Italienern auf der einen und zweitausend Japanern auf der anderen Seite. Die Italiener waren vorbildliche Gefangene. Sie ü berwanden die Schmach, von der Front in ein sonniges Land, weit weg vom Donnern der Gesch ü tze transportiert worden zu sein, richteten sich h ä uslich ein und machten das Beste daraus. Ja, so tapfer verbargen sie ihre Entt ä uschung, dass man fast auf den Gedanken kommen konnte, ihre neue Situation sei ihnen gar nicht so unrecht. Sie arbeiteten auf den Farmen der Umgebung und wurden kaum bewacht. Die Offiziere - und das finde ich einfach gro ß artig - ü berhaupt nicht.

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