Frühstück mit Kängurus
morgens merkte man, dass es ein richtig hei ß er Tag werden w ü rde. Ich spazierte eineinhalb Stunden ü ber den Felsgipfel und genoss den Blick aus verschiedenen Perspektiven; ich schaute mir die Katoomba Falls und die hoch sich erhebenden Sandsteins ä ulen Three Sisters an und fuhr dann rundum zufrieden zur ü ck in die Stadt, um einen Kaffee zu trinken.
In den drei ß iger und vierziger Jahren war Katoomba ein beliebter Ausflugsort f ü r Menschen, die etwas auf sich hielten. Es war beileibe nicht so ordin ä r wie Bondi oder die anderen K ü stenorte, in denen immer die Gefahr bestand, dass Klein-Bruce und Klein-Noelene mehr Fleisch zu sehen bekamen, als ihnen in ihrem Alter zutr ä glich war. Oder dass sie Kraftausdr ü cke h ö rten - von M ä nnern, die » Herrgott! « , » Heiliger Strohsack! « oder so was sagten. Katoomba bot kultivierteren Zeitvertreib: Waldspazierg ä nge, therapeutische B ä der in heilenden Wassern, abends Gesellschaftstanz zu Orchestermusik. Heute klammert sich die Stadt mit einem Anflug von Verzweiflung an den l ä ngst vergangenen Ruhm. In der Hauptstra ß e gibt es noch herrlich viele Art-deco-H ä user, vor allem ein wundersch ö nes altes Filmtheater, das aber wie etliches andere auch geschlossen war.
Ich kaufte mir eine Morgenzeitung und setzte mich in ein Cafe. Ich bin immer wieder erstaunt, wie selten Besucher Lokalbl ä tter lesen. Ich kann mir nichts Erregenderes vorstellen - jedenfalls nichts, dem man sich mit einer Tasse Kaffee an einem ö ffentlichen Ort hingeben kann -, als die Lekt ü re einer Zeitung aus einem Teil der Welt, von dem man fast nichts wei ß . Wie tr ö stlich, zu erfahren, dass eine Nation sich um Dinge sorgt, die f ü r einen selbst absolut irrelevant sind. F ü r mein Leben gern vertiefe ich mich in Skandale von Ministern, von denen ich nie geh ö rt habe, in M ö rderjagden durch Viertel, deren Namen d ü ster und entfernt klingen, in Artikel ü ber hoch gesch ä tzte K ü nstler und Denker, deren Talent und Leistungen ich nicht beurteilen kann. Vor allem schm ö kere ich gern in den Farbbeilagen und schaue mir an, was in diesem Teil der Welt neu am Strand oder neu in der K ü che ist oder was ich f ü r mein Geld kriegen w ü rde, wenn ich vierhunderttausend Dollar ü brig und einen Grund h ä tte, mich in Dubbo oder Woolloomooloo niederzulassen. Es hat etwas Privilegiertes, beinahe Verbotenes, als w ü hle man in den Schubladen eines Fremden. Wo sonst bekommt man so viel Unterhaltung f ü r eine Hand voll M ü nzen?
Diesmal verfolgte ich mit einem gewissen Eifer einen Verleumdungsprozess, in dem zwei Minister einen Verleger belangten, der ein Buch publiziert hatte, in dem sie ehrenr ü hrig und, wie sich herausstellte, grundlos sexueller Unbesonnenheiten in lange vergangenen Zeiten beschuldigt wurden. Von Tag zu Tag wurde der Prozess zu einer fr ö hlicheren Farce. Ein ehemaliger Oppositionsf ü hrer trat zum Beispiel in den Zeugenstand und gab, ohne dass ein halbwegs vern ü nftiger Mensch erkennen konnte, warum, prickelnde Einzelheiten ü ber angebliche sexuelle Verfehlungen anderer Minister zum Besten, die auch nicht das Geringste mit dem Buch oder dem Prozess zu tun hatten. Was mich urspr ü nglich an dem Fall interessiert hatte und was ihn so ganz besonders machte, war freilich der simple gl ü ckliche Zufall, dass die beiden Minister, um die es bei der Aff ä re eigentlich ging, Abbott und Costello hie ß en, also die Namen des ber ü hmten amerikanischen Komikerpaars trugen.
Gespannt in diese Geschichte vertieft, sa ß ich da, als ich pl ö tzlich eine vertraute Stimme ziemlich laut maulen h ö rte: » Das ist keine Erdbeermarmelade. Das ist Schwarze-Johannisbeer-Marmelade. «
Ich schaute hoch und erblickte meine beiden alten Freunde vom Tag zuvor. Ohne ihre H ü te, M ä ntel und Schals sahen sie viel kleiner und gebrechlicher aus. Diese Accessoires lagen adrett zusammengefaltet in einem hohen Stapel auf den St ü hlen neben ihnen, als sollten sie gleich im Schrank verstaut werden. Ob die beiden sie am Ende weniger gegen die K ä lte trugen, als vielmehr deshalb, weil ihnen das ganze Anziehen und Ausziehen half, sich die Zeit zu vertreiben?
» Sie haben keine Erdbeermarmelade, Liebling « , versuchte die Frau ihren Gatten zu beruhigen. » Die Dame hat es doch gesagt. Sie haben nur Schwarze-Johannisbeer- oder Orangenmarmelade. «
» Ich will aber keine von beiden. «
» Dann iss auch keine von beiden. « Schwang da ein kleiner
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