Frühstück um sechs
die Sache ‘rauskommt. Den dortigen Pfarrer kennt er vom Kriege her,
und ich soll die Trauung für Freitag, morgens 9 Uhr, bestellen. Tim will dann
Donnerstagabend hinkommen, und wir heiraten, eh Vater erfährt, wo ich überhaupt
bin.«
»Aber wird er sich nicht
schwere Sorgen machen, wenn er nach Hause kommt und Sie nicht da sind?« Wieder
war mein Baby schuld, sonst hätte ich das gewiß nicht gesagt.
»Oh, ich werde ihm einen Zettel
hinlegen. Einfach aufschreiben, daß ich für ein paar Tage fortfahre, bis wir
beide uns wieder ohne Groll in die Augen sehen können, und daß ich ihm
schreiben werde und es mir sonst gut geht.«
Anne muß vor Freude und Angst
wirklich außer sich gewesen sein, sonst hätte sich ihr kleines Herz gegen den
Vater, den sie glühend liebte, nicht so verhärten können. Uns sagte sie
fröhlich Lebewohl, als ginge sie zu einem Ball. Zwei Stunden später sahen wir
sie in ihrem kleinen Auto vorbeiflitzen. Munter ließ sie die Hupe ertönen, als
wir ihr vom Kamm des Hügels zuwinkten. Eine kaum glaubliche Veränderung war mit
ihr vorgegangen.
Als wir uns abwandten, wurde
ich mit einem Ruck aus meinem Sinnen aufgeschreckt, denn Paul sagte zu Tim:
»Selbstverständlich werde ich mit Sam gemeinsam deine fußkranken Mutterschafe
behandeln und sie mit unserem Lastwagen holen und wieder hinfahren. Sei ganz
unbesorgt.« Worauf Tim erwiderte: »Vielen Dank. Mit Salbe habe ich sie schon
behandelt, ich mache das noch fertig.«
Larry sagte lachend: »Zu
schade, daß Sam dies alles nicht miterlebt hat. Ich muß rasch nach Hause und es
ihm berichten.«
Als ich sie verabschiedete,
wagte ich ein bedauerndes Wort für den Colonel einzuwerfen, doch davon wollte
sie nichts hören. »Der alte Tyrann! Recht geschieht’s ihm! Gott sei Dank, das
Mädel ist fort, nun kann nichts mehr schiefgehen!«
Sie hatte voreilig gesprochen.
Zwei Tage später, als wir gerade Tim zu seinem Zug gebracht hatten, fuhr ich
mit Larry zum Postholen. Wir stellten die wildesten Vermutungen über die Heirat
an: in welchem Ort sie vor sich gehen sollte, ob die beiden wohl in dieser
arbeitsreichen Zeit wenigstens ein paar >Flittertage< finden würden, und
was der Panjandrum sich inzwischen denken mochte.
»Miss Adams wird schon Bescheid
wissen, und ich wette, sie hat ihre Freude an der Sache.«
Doch Tantchen sah nicht erfreut
aus, im Gegenteil, ganz sorgenvoll. Als wir mit ihr allein waren, führte sie
uns ins Wohnzimmer und schloß die Tür. Wir bestürmten sie mit Fragen.
»Ja, ich weiß Bescheid«, sagte
sie. »Jawohl, habe mit Anne gesprochen. Sie kam zu mir, um sich zu verabschieden
und hat mir alles erzählt. Zehn Minuten blieb sie hier, hat die ganze Zeit
geredet und fuhr fröhlich wie eine Lerche davon. — Der Colonel? Er blieb länger
in der Stadt, als er beabsichtigt hatte. Seine >Geschäfte< haben ihn
aufgehalten. Als er tags darauf zurückkam, fand er ihre Mitteilung vor. Ich
habe ihn noch nicht wieder gesehen und auch nicht gehört. Er würde sich mir
natürlich auch nicht anvertrauen.«
»Sicher werden Sie es
merkwürdig finden, doch ich bedaure ihn.«
»Ich auch. Leider habe ich das
zu Anne gesagt.«
»Warum >leider«
»Weil sich zeigt, wie dumm es
von mir war, hier Ratschläge zu geben. Heute bekam ich von Anne einen Brief und
für ihren Vater ist auch einer in der Post. Mir schreibt sie, sie hätte sich
meine Worte überlegt und sei zu der Erkenntnis gekommen, daß ihr Benehmen gegen
ihren Vater nicht anständig sei — und korrekt war es ja wirklich nicht. Daher
hat sie ihm geschrieben und ihm mitgeteilt, wann und wo sie heiraten wollen,
und hat ihn gebeten, ihr zu telegrafieren und Glück zu wünschen.«
Tiefes Schweigen trat ein.
Schließlich sagte ich: »Aber sie ist doch noch minderjährig. Das braucht er
bloß den Pfarrer wissen zu lassen, und schon können sie nicht heiraten.«
»Er schafft das nicht mehr bis
dahin, dazu fehlt ihm die Zeit, denn den Brief hat er ja noch gar nicht. Der
ist noch hier. Jim Wilson, der bei ihm arbeitet, holt die Post morgens auf dem
Heimweg ab. Aber telefonieren könnte der Colonel noch.«
Wir warfen uns bezeichnende
Blicke zu, dann sagte Larry, die mehr riskierte als ich: »Also ist es doch gar
kein Problem. Halten Sie einfach den Brief zurück.«
Ich glaubte zu wissen, daß
dieser Vorschlag auf Granit stieß, und Tantchens Gesicht bestätigte das sofort.
Privat hätte sie für Tim und Anne alles getan, doch als Posthalterin hatte sie
sehr strenge
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