Frühstück um sechs
geglaubt, daß du noch bis zum Schluß durch die
verflixte Tanzerei taumeln würdest, ohne umzufallen. Sahst geradezu abgehärmt
aus.«
Taumeln — während ich geglaubt
hatte, Pirouetten wie eine Fee zu drehen! Abgehärmt — während ich in dem zarten
Glauben gelebt hatte, in der märchenhaften Szene auch märchenhaft hübsch
auszusehen! Das war zuviel. — Er merkte überhaupt nicht, wie er mich kränkte,
und sprach ganz fröhlich weiter: »Also ist es wohl kein Wunder, daß ich’s
erraten habe — ich meine, schließlich ist das ja auch nicht so besonders erstaunlich,
nicht wahr? Ein ganz natürlicher Vorgang, und...«
Ein natürlicher Vorgang —
allerdings! Vom Arzt hatte ich diesen Hinweis akzeptiert, doch von Paul wollte
ich ihn nicht hören! Mühsam brachte ich heraus: »Aber — freust du dich denn gar
nicht?«
Er blickte mich etwas
beunruhigt an und versuchte, in der schwachen Beleuchtung mein Gesicht zu
erkennen. Es dämmerte ihm wohl langsam, daß er vielleicht ins Fettnäpfchen
getreten sein könnte. Er sagte: »Freuen? Selbstverständlich! Ich weiß doch, daß
du dir ein Kind gewünscht hast. Aber ich kann auch den Gedanken nicht ganz
abweisen, daß nun unser Leben nicht mehr dasselbe sein wird. Keine Freiheit
mehr, keine gemeinsamen Ausflüge, und auch...«
Da der Tag sehr lang gewesen war, gab mir das den Rest.
Zum zweitenmal in unserer Ehe kamen mir die Tränen. Paul erhob sich rasch aus
seinem Sessel.
Und nun wurde die Szene
bedeutend erfreulicher. — Erst kurz vor dem Einschlummern ward mir bewußt, daß
mein Mann nicht ein einziges Mal das Wort >Wunder< gebraucht und mich
auch nicht sein >geliebtes kleines Frauchen< genannt hatte.
23
Es blieb nicht viel Zeit, uns
über das zu erwartende Baby zu freuen, denn am nächsten Morgen brach ein Sturm
los. Es war erst 8 Uhr, als ich Annes Wagen kommen hörte und gleich wußte, daß
etwas schiefgegangen war. Wie sich zeigte, alles.
Sie hatte geweint und wartete
nicht einmal, bis wir allein waren, sondern platzte sofort mit der ganzen
Geschichte heraus.
»Oh, Susan, es hat furchtbaren
Krach gegeben! Jan und Nancy sind gestern abgefahren, und Julian fuhr auch ab,
für eine Woche in die Stadt. Oh, wenn er doch dageblieben wäre! Er hätte mir
beistehen können, denn er ist ja auf unserer Seite. Tim kam abends und hat Papa
alles gesagt, und Papa — oh, ich weiß gar nicht, was ihn so wütend machte, aber
er war einfach fürchterlich. In jeder Weise.
Wollte überhaupt nichts hören.
Er sagte, ich sei noch ein Kind und wüßte nicht, was ich täte, und dann sagte
er... Nein, Paul, du brauchst nicht hinauszugehen. Bist doch Tims bester Freund
und mußt uns helfen.«
Paul war nämlich — so sind die
Männer — unauffällig zur Tür gegangen. Er kam sehr rot und verlegen, aber auch
zornig auf Tim zurück.
»Ihr müßt uns beide helfen«,
fuhr Anne fort. »Wir müssen schnell etwas unternehmen. Ich bin heute früh
sofort zu Tim gegangen, doch er legte gleich so wild los, daß ich direkt Angst
bekam. Und dann dachte ich an euch — daß ihr Rat wissen würdet. Papa sagte, es
fiele ihm nicht im Traum ein, mich mein Leben lang auf so einer kleinen
Klitsche sitzenzulassen, und verlangte zu wissen, welche Aussichten Tim hätte,
anderswo den Lebensunterhalt zu verdienen. Worauf Tim ihm erklärte, nirgends,
er dächte auch nicht daran, die Gegend zu verlassen. Da hättet ihr Papa hören
sollen! Nie hätte ich gedacht, daß er so sein kann! Er redete immerfort von
Geld und Position, was uns doch ganz einerlei ist. Tim wurde immer blasser und
stiller, und...«
Wieder weinte sie haltlos, wie
ein kleines Kind. Paul zitterte förmlich, und mir kamen beinah wieder die
Tränen.
»Anne, liebes Kind, weinen Sie doch
nicht!« bat ich. »Ich kann das nicht ertragen. Ihr Vater wird sich schon
besinnen, ganz sicher.«
»Nein, wird er nicht. Das
brauchen wir uns gar nicht vorzuspiegeln. Und es ist sowieso schon zu spät
dazu. Er will in die Stadt fahren und einen Makler den Verkauf unseres Gutes
übertragen. Will nicht einmal warten, bis es verkauft ist. In zwei Tagen reisen
wir schon ab — ohne weiteres.«
Bei den letzten Worten stieß
sie ein Wehgeheul aus, daß Paul der kalte Schweiß auf die Stirn trat. Er sagte:
»Besprecht ihr beiden das lieber allein. Susan wird schon wissen...«
So ein elender Feigling! Es ist
verblüffend, wie der Anblick einer hemmungslos weinenden Frau sogar auf sonst
energische Männer wirkt! Doch damit sollte er mir nicht
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