Frühstückspension: Kriminalroman
sich herum auf den weißen Steinen.
»Sie blühen noch so prächtig«, schicke ich hinterher. Ihr Benehmen verunsichert mich. Wenigstens eine Antwort könnte sie mir geben.
»Mag sein«, knurrt sie endlich gereizt. »Aber sie sind lange über ihrer Zeit.«
Ich bleibe immer noch stehen. Schaukele von einem Bein zum anderen. Dabei sollte ich weitergehen. Frau Heinrich ist verärgert. Meine Botschaft, die Margeriten zu schonen, kann es nicht gewesen sein. Mir fällt der aufgeschnappte Gesprächsfetzen ein. Ärgert sie sich, dass sie mir ein Zimmer vermietet hat, und versucht, mich wieder aus dem Haus zu ekeln?
Ich bin schon im Gehen, als Frau Heinrich die Staude achtlos fallen lässt, aufsteht und sich mit ihrer erdverklebten Hand über das Gesicht fährt. Ich muss lächeln. Sie erwidert es nicht.
»Um ehrlich zu sein, es ist mir egal, ob die Margeriten über der Zeit sind oder nicht. Völlig egal, das können Sie mir glauben.«
Sie hockt sich wie ein kleines Mädchen auf eine Stufe der Außentreppe. »Ich wollte nur in Erde wühlen. Das ist alles. Zum Fensterabseifen ist es zu spät. Es wird gleich dunkel.«
Ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch. Ich spüre die Bewegung deutlich, kann sie aber nicht verhindern. Dabei weiß ich, dass ich damit arrogant wirke. Sandra hat mir das oft vorgeworfen. Später meinte sie nur noch lakonisch: Jetzt weißt du wieder nicht weiter. Lass das mit der Augenbraue.
Frau Heinrich verschränkt ihre Arme vor ihrem Busen. Seine Konturen zeichnen sich selbst in der legeren Jacke ab.
»Nun schauen Sie mich nicht an, als hörten Sie das zum ersten Mal. In Erde wühlen oder Fenster abseifen beruhigt. Ganz wunderbar, wenn die Scheibe eingeseift ist und sich die vielen Bläschen bilden. Eine nach der anderen wieder zerplatzt. Diese kreisenden Bewegungen …«
Sie winkt resigniert ab und schweigt.
»Mich beruhigt Backen oder aufwendiges Kochen«, gebe ich hastig zu, und sie lächelt.
»Dann wären wir ein gutes Gespann. Die eine putzt, und die andere kocht.«
Sie umschlingt ihre Knie und fragt, ohne mich anzusehen:
»Haben Sie Kinder?«
»Ja, eine Tochter.«
»Ich habe eine Tochter und einen Sohn und von meiner Tochter schon eine Enkeltochter.«
Ihre Stimme wird wieder lebendiger, ihr Gesicht weicher. »Meine Enkeltochter ist oft hier. Gestern erst. Haben Sie sie gesehen?«
»Nein, nur gehört.«
»Ja, sie ist sehr lebhaft«, lächelt meine Wirtin stolz. Dann verfinstert sich ihre Miene wieder.
»Aber zurzeit kann ich die Kleine nicht nehmen. Meine Tochter versteht das nicht. Sie ist wütend und versucht, mich eifersüchtig zu machen. Fragt plötzlich nach ihrem Vater. Dabei hat sie sich noch nie für ihn interessiert.«
Frau Heinrich sieht ein paar kreischenden Möwen hinterher.
»Ich habe meiner Tochter den Haustürschlüssel abgenommen. Das wertet sie als Liebesentzug. Mit 30 sollte man erwachsener sein.« Sie steht auf und beginnt, die Blumenerde zusammenzufegen.
Was ist daran verwunderlich, wenn eine Tochter sich für ihren Vater interessiert? Wo ist Herr Heinrich überhaupt? Ich habe ihn noch nicht gesehen. Sind sie geschieden? Und Haustürschlüssel wegnehmen ist schon eine einschneidende Maßnahme, denke ich. Betrachte das aufgewühlte Gesicht von Frau Heinrich und schweige lieber.
»Sie bekommt ihn wieder«, erklärt sie unaufgefordert. »Zurzeit möchte ich es einfach nicht. Das muss man doch akzeptieren können, oder?«
Sie schüttet die Erde in den Kübel zurück und drückt sie energisch an die Margerite.
»Sie hat wirklich noch sehr viele Blüten. Manchmal schaut man einfach nicht genau hin.«
Sie dreht sich zu mir herum und fragt: »Haben Sie Lust auf einen Tee oder einen Sekt?«
Das Angebot weckt Erinnerungen. Sekt am Nachmittag. In meinen ersten Ehejahren hatte ich eine Freundin. Eine richtige. Mit der habe ich manchmal Sekt am Nachmittag getrunken. Elsbeth. Ich nannte sie Els. Sie hatte einen Sohn in Sandras Alter. Die Kinder spielten, und wir saßen zusammen und redeten, lachten und tranken Sekt. Wir redeten mit wunderbarer Leichtigkeit. Keine großen Worte. Da war vieles einfacher. Dann ist Els in eine andere Stadt gezogen. Seitdem habe ich nie wieder eine Frau getroffen, mit der ich am Nachmittag Sekt trinken konnte.
»Danke, vielleicht später. Ich will erst spazieren gehen und etwas essen«, antworte ich hölzern. Warum benehme ich mich so linkisch, wenn ich einen Menschen sympathisch finde?
Chance vertan, denke ich, als ich Frau Heinrichs
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