Frühstückspension: Kriminalroman
Schlaftrunk?«
Obwohl ich genau auf diese Einladung gewartet habe, bleibe ich unentschlossen auf der Treppe stehen. Manchmal könnte ich dir in den Hintern treten, höre ich die ärgerliche Stimme meiner Mutter und frage schnell: »Haben Sie vielleicht auch ein Bier?«
Frau Heinrich nickt und grinst anerkennend: »Ich hätte Sie nie als Biertrinkerin eingestuft. Ist so ein Hobby von mir, die Menschen nach Trinkgewohnheiten einzuschätzen. Also, Sie lagen im Bereich Rotwein, manchmal Sekt, Cocktails nicht abgeneigt.«
Ich folge ihr in die Wohnung. Der Fernsehapparat läuft in dem kleinen Esszimmer. In einem wuchtigen Ledersessel sitzt ein Mann. Es gibt also einen Herrn Heinrich. Ich bleibe stehen und rufe »Guten Abend« in das Zimmer.
Er antwortet nicht. Ich zögere, da zieht mich Frau Heinrich energisch am Arm mit sich fort.
»Lassen Sie ihn in Ruhe. Er schläft. Wir gehen ins Wohnzimmer!« Ihre Stimme hat wieder den ärgerlichen Klang vom Nachmittag, und ich gehorche verwirrt. Ihr Mann gehört anscheinend auch zu der humorlosen Sorte.
Sie hat zwei Flaschen Bier aus der Küche geholt und stellt sie auf den Couchtisch. Die Stoffbären wirft sie achtlos vom Sofa in eine Zimmerecke und winkt mir zu, mich zu setzen.
»Sie trinken ja auch Bier«, stelle ich fest und setze mich neben sie.
»Klar«, antwortet sie gelassen.
»Am Nachmittag wollten Sie mich zum Sekt einladen.«
»Stimmt, weil es sich eleganter anhört. Oder fänden Sie es passend, am Nachmittag von einer Frau zum Bier eingeladen zu werden?«
»Warum eigentlich nicht? Es hat auf jeden Fall weniger Alkohol.«
Wir müssen beide lachen. Es klingt noch gezwungen. Aber ich bin froh, mit ihr einen Anfang gefunden zu haben. Frau Heinrich schenkt für uns beide das Bier ein und ich sehe ihr dabei zu.
»Kennen Sie Feng-Shui?«, fragt sie mich übergangslos.
»Dem Namen nach«, antworte ich irritiert.
»Total interessant. Zum Beispiel soll man alle Gegenstände, die man länger als drei Jahre nicht gebraucht oder wenigstens einmal gesucht hat, aus dem Haus schaffen. Sie blockieren die positive Energie.«
Sie reicht mir mein Glas und trinkt selbst ein paar kräftige Schlucke von ihrem Bier.
»Ich bin gespannt, wie es hinterher hier aussehen wird und was passiert.«
Ich sehe sie ratlos an: »Glauben Sie wirklich, dass Gegenstände etwas bewirken können? Ich meine, mehr als eine äußerliche Veränderung?« Sie sieht mich ehrlich erstaunt an.
»Natürlich. Sehen Sie sich doch einmal hier um! Meine Wohnung macht unruhig, und gleichzeitig lähmt sie.«
Ich nicke unwillkürlich. Natürlich ist das hier ein überfüllter Geschenkartikelladen und keine Wohnung, in der ich mich entspannen könnte. Aber Frau Heinrich muss es doch bis vor Kurzem sehr gefallen haben.
»Warum haben Sie überhaupt so viel gesammelt?«, frage ich aus meinen Gedanken heraus.
»Warum sammelt man? Haben Sie nie gesammelt?«
Das klingt so selbstverständlich, dass ich gerne eine Sammelleidenschaft präsentiert hätte. Schon des netten Beisammenseins wegen. Aber mir fällt auf die Schnelle nichts ein.
»Nein, eigentlich nicht.«
Frau Heinrich schüttelt erstaunt den Kopf und betrachtet mich wie eine seltene Spezies.
»Nie gesammelt? Unglaublich. Ich habe immer gesammelt. Schon als junges Mädchen. Zuckerwürfel, Servietten aus jedem Cafe oder Bierdeckel. Als Erinnerung an ein Treffen, einen besonderen Augenblick. Oder Schmuggelzettel, Briefe, Ansichtskarten. Und ich habe meine Schätze gegen meine Mutter verteidigt.« Frau Heinrich lächelt in der Erinnerung.
»Meinen ersten Teddy«, sie zögert und wird ernster, »meinen ersten Teddy habe ich von Gerold kurz nach der Hochzeit geschenkt bekommen.«
Sie stockt noch einmal.
»Jedenfalls kann sich meine Verwandtschaft nicht beklagen. Sie wussten immer, was sie mir zum Geburtstag schenken konnten.«
Sie lacht. Es hört sich nicht froh an.
»Mein größter Alptraum war immer ein Hausbrand. Ich dachte, diese armen Menschen stehen nach einem Brand nackt da. Völlig nackt, ohne Vergangenheit.«
Ich antworte nicht, und sie fixiert mich mit ihren Augen. Ich bemerke zum ersten Mal, von welch intensivem Grün sie sind.
»Was würden Sie mitnehmen, wenn Sie Ihr Haus verlassen müssten? Ich meine, in großer Eile und für immer?«
Meine Lider flattern unter ihrem eindringlichen Blick. Sie stellt so direkte Fragen.
Was habe ich mitgenommen? Ich war in großer Eile und sehr aufgebracht. Ich denke an meine Reisetasche. Bislang habe
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