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Fuchserde

Fuchserde

Titel: Fuchserde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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Träne. Sehr wohl aber mögen Menschen ihren eigenen Vorteil, und den am liebsten, wenn er durch Dritte nicht erkannt wird, sondern als Großmut erscheint. Deshalb gluckste Luca, sprang von einem Bein auf das andere, und die rund um den Gürtel und die Brust gebundenen Zweige wippten dazu: »Darf ich etwas tun für Sie, gnädiger Herr?«, trällerte Luca und ergänzte krächzend: »Scheren schleifen, Körbe flechten, Besen binden, Schirme oder Kessel flicken, alles gegen nur eine warme Mahlzeit und eine Nacht im Stall? Sie täten eine gute Tat!« Der Bauer bekam vor Staunen den Mund nicht zu. Als er sich von dem ungewöhnlichen Anblick erfangen hatte, schüttelte er den Kopf und lachte: »Was bist denn du für ein kauziger Waldgnom. Hüpf doch um Himmels Willen nicht so herum, du zerspringst ja noch vor Kälte. Na, komm schon herein.«
     
    Es lief nicht immer so gut. Einige Bauern wiesen Luca Resulatti auch ab. Und es mag ja Zufall gewesen sein, aber jedenfalls schien es Luca so, als ob er umso herzlicher aufgenommen wurde, und umso großzügiger für seine Dienste entlohnt wurde, je kleiner der Hof war. Und dass er umso schroffer und billiger abgefertigt wurde, je wohlhabender die Bauersleute waren. Ein Großbauer war es auch, der sich mit höhnischem Lachen von ihm abwandte und wieder im Haus verschwand, nachdem ihm Luca angeboten hatte, seine Töpfe zu flicken. Luca ahnte nichts Gutes und wollte sich schon davonmachen, da kam der Bauer zurück. In seiner rechten Hand hielt er drei blitzend neue, emaillierte Töpfe, in seiner linken Hand nochmals drei. »Diese Töpfe haben mich in der neuen Manufaktur nicht mehr gekostet als ein paar läppische Flickarbeiten von dir«, triumphierte er, und seine Töpfe schepperten dazu. »Jetzt könnt ihr schauen, wo ihr Zigeunerpack bleibt!« Luca nickte nur und machte kehrt. Er hatte sich einige Meter entfernt, da plärrte ihm der Bauer nach.
    »Warum ziehst du überhaupt mitten im Winter durch die Gegend? Sonst kommt ihr doch immer erst im Frühjahr. Und außerdem schleppt ihr doch sonst eure ganze Sippe mit. Warum bist du ganz allein?« Luca sah im Gehen über seine Schulter und schrie, lauter als es notwenig gewesen wäre: »Kauf dir die Antworten doch in der neuen Manufaktur!«
    Die meisten Bauern wussten zu jener Zeit die Dienste der Fahrenden noch zu schätzen. Sie liebten die Geschichten, die die Jenischen zu erzählen wussten und mit denen sie die Wangen der um den Tisch versammelten Kinder zum Glühen brachten. Auch Luca Resulatti beherrschte die Kunst des Erzählens. Und so schilderte er etwa die abenteuerliche Herkunft eines Besens, der, bevor er in seinen Besitz gekommen sei, schon einer alten Hexe gedient habe. Die sei damit über Schlösser und Burgen geflogen und ihr guter Geist stecke noch immer in den Fasern des Besens, was die Frauen des Hauses ja bald bemerken würden. Denn dieser und nur dieser Besen fege Hof, Diele und alle Böden beinahe wie von selbst. »Euch Jenischen kann man auch wirklich keine Ware abkaufen, an der nicht eine Geschichte klebt«, lachte daraufhin der Herr des Hauses. »Wenn noch ein paar von euch kommen, ist bald unser ganzer Hausrat verzaubert.«
    An Zauber grenzte es auch, dass Luca Resulatti es schaffte, all die Dinge, die er versprach, auch tatsächlich einzuhalten. Denn es konnte freilich keine Rede davon sein, dass er sämtliche Fertigkeiten, die er anpries, auch beherrschte. Noch nie in seinem Leben hatte er einen Regenschirm geflickt, noch nie einen Topf oder eine Pfanne repariert. Was er wirklich konnte, war Körbe flechten – und improvisieren. Beides hatte er von seinem Großvater gelernt. Also werkte er einfach drauf los, wenn es galt, Dinge zu tun, die er bisher nur andere tun gesehen hatte.
    Und irgendwie funktionierte es immer. Wenn auch manchmal eben nur irgendwie.
     
    Bei jedem Hof, in jedem Dorf und in jeder Stadt auf seiner Reise fragte Luca, ob »der berühmte Zirkus Resulatti« einmal in der Nähe Station gemacht habe. Doch niemand hatte jemals etwas von diesem berühmten Zirkus gehört, geschweige denn, eine der Vorstellungen besucht. Mit den Monaten wuchs in Luca Resulatti eine Sorge, die ihren Ausdruck darin fand, dass er nicht mehr nach dem »berühmten Zirkus Resulatti« fragte, sondern nur noch nach dem »Zirkus Resulatti«. Abermals Monate später, es war mittlerweile Spätsommer geworden, hatte Luca die Erfolglosigkeit satt. Also fragte er, ob denn nicht »irgendein Zirkus« in der Gegend gewesen sei. Das

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