Fucking Berlin
nehmen, da mein ausladender Bauch jede andere Stellung unmöglich machte. Während er von hinten in mich reinstieß, war ich so entspannt wie schon lange nicht mehr. In meiner Wirbelsäule konnte ich kleine Wellen der Erregung spüren.
Obwohl er sich bemühte, langsam und sanft zu sein, kam er schon nach wenigen Minuten. Normalerweise kostete Sex extra, doch ich wollte kein Geld von ihm. »Wahnsinn, ich hätte nie gedacht, dass mir hier so was passiert – so guten Sex zu haben«, keuchte er, als er danach verschwitzt und erschöpft auf der Matratze lag.
Ich spähte durch die Gardinen. Draußen fand ein Straßenfest statt. Zwischen den Pommesbuden und dem Karussell dachte ich für einen Augenblick, Milan mit seiner Familie entdeckt zu haben, und trat einen Schritt zurück. Als die Frau sich umdrehte, merkte ich, dass ich mich getäuscht hatte, und atmete auf.
Jimmy hatte sich unterdessen bereits angezogen und schrieb seine Telefonnummer auf einen Zettel. »Ich würde mich freuen, wenn du dich meldest. Ansonsten wünsche ich dir viel Glück mit deinem Sohn«, sagte er.
Wir küssten uns ein letztes Mal auf die Lippen, dann ging er die Treppe runter und aus dem Haus. Ich stand eine Weile da, mit dem Zettel, auf dem seine Telefonnummer stand, und überlegte, was ich damit machen sollte.
»Dein Leben ist schon kompliziert genug«, sagte ich mir schließlich. Ich lief zurück zur Küche, ließ den Zettel in den Mülleimer fallen und setzte mich an den Tisch zu den anderen Mädels. Jimmy sah ich nie wieder.
Ein paar Wochen später saß ich in der überfüllten Uni-Cafeteria und trank eine Cola, als mein Handy klingelte.
»Hallo, hier ist Sabine«, sagte eine leise Stimme.
»Kennen wir uns von irgendwo?«, fragte ich überrascht, während ich an meinem Kaffeebecher nippte, und ging in Gedanken die Liste meiner Kneipenbekanntschaften durch.
»Ich bin die Frau von Wolfgang«, sagte sie. »Wir haben uns mal kurz im Restaurant gesehen. Ich wollte dir nur sagen, dass Wolfgang einen Herzinfarkt gehabt hat und in Lebensgefahr schwebt.«
Ich ließ den Kaffeebecher fallen, der Inhalt ergoss sich auf meine Beine, auf dem Boden bildete sich eine Pfütze. Niemand merkte es, alle zogen weiter mit Rucksäcken auf den Schultern, ab in die Semesterferien, die Klausuren waren vorbei, es lebe der Sommer.
»Ich bin noch da«, stotterte ich langsam.
»Ich habe auch Tanja in Weißrussland angerufen, sie kommt in zwei Tagen. Natascha habe ich auch erreicht. Er liegt im Krankenhaus in Friedrichshain auf der Intensivstation. Die Ärzte geben ihm nur eine kleine Chance.«
Ich hörte gar nicht weiter zu, mir ging so vieles durch den Kopf. Wolfgang war fast tot und ich hatte mich nicht verabschiedet. Dann fiel mir ein, wie er mir beim letzten Mal diesen scheußlichen Wein aus Südafrika geschenkt und ich die ganze Flasche weggeschmissen hatte. Vermutlich ist es so, dass einem gerade in den wichtigen Augenblicken des Lebens solche Belanglosigkeiten einfallen.
Als ich auf dem Weg ins Krankenhaus in der U-Bahn saß, spielte ich Wolfgangs Geschichten immer wieder im Kopf durch. Ich war so oft bei ihm gewesen, dass ich sie alle auswendig kannte. Wie er als Kind die Bombardierung Berlins überlebt hatte; von seiner ersten Liebe, die in den Westen geflüchtet, und seiner Ehe, die mit der Zeit eine Freundschaftgeworden war; die Wende, die für Wolfgang auch eine Art sexuelle Revolution gewesen war wegen der vielen Mädels aus den Agenturen, die die Einsamkeit freilich nicht hatten wegwischen können; die Demos am Alex gegen Hartz IV , bei denen er auch gegen eine Welt protestierte, die er nicht verstand. Jetzt rang dieser Mann mit dem Tod und das Leben lief einfach weiter an diesem heißen Sommertag. Die Fußball- WM sorgte landesweit für Begeisterung, Deutschland spielte am Nachmittag gegen Schweden, kleine Kinder malten sich die deutschen Farben ins Gesicht.
Was konnte man Gutes über Wolfgang sagen? Mir fiel nichts ein, genauso wenig wie mir schlechte Sachen über ihn einfielen. Er hatte gearbeitet, drei Kinder in die Welt gesetzt, gefeiert, gesoffen, war alt geworden und jetzt kurz vor dem Abnippeln. Nichts Besonderes also.
Natascha, meine Freundin aus Freiburg, saß vor der Klinik unter einem Baum und las eine russische Zeitung. Mir fiel sofort auf, dass sie sehr dünn geworden war und dass sie keine Schuhe trug, ansonsten hatte sie sich seit den Zeiten in Süddeutschland nicht wirklich verändert. Sie erkannte mich auch sofort.
»So
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