Fünf Freunde Auf Schmugglerjag
Dann hörte man den Lärm von herunterfallenden Ziegeln.
»Ach Gott!«, rief Tante Fanny, dem Weinen nahe. »Ich hatte schon immer das Gefühl, dass einmal so etwas passieren würde. Quentin, wir hätten den Baum schon längst fällen sollen. Ich wusste, dass die Esche einem solchen Sturm nicht standhalten kann. Ob das Dach wohl schwer beschädigt ist?«
Auf den großen Krach folgten andere Geräusche: das Fallen, Dröhnen und Aufschlagen von allerlei Gegenständen. Die Kinder konnten immer noch nicht fassen, was geschehen war.
Tim bellte laut. Onkel Quentin schlug so heftig mit der Faust auf den Tisch, dass die anderen in die Höhe fuhren.
»Der Hund soll das Bellen lassen, ich werfe ihn sonst raus!«, tobte er.
Aber Tim gab keine Ruhe. Da nahm ihn Georg auf den Arm, schleppte ihn in die warme Küche und machte die Tür hinter ihm zu.
»Ich könnte selber losheulen«, sagte Anne. »Ich kann Tim gut verstehen.«
Onkel Quentin stieg mit einer Kerze die Treppe hinauf, um sich den Schaden zu besehen. Er war recht blass, als er zurückkehrte.
»Der Baum hat das Dach durchstoßen, die Dachstuben eingedrückt und das Schlafzimmer der Mädchen zerstört«, berichtete er. »Ein dicker, schwerer Ast ist ins Jungenzimmer gefallen, ohne weiteren Schaden anzurichten. Aber das andere ist hinüber! Die Mädchen wären in den Betten ums Leben gekommen.«
Alle schwiegen. Es war ein entsetzlicher Gedanke, wie knapp Georg und Anne dem Tod entronnen waren.
»Ich hab mir aber auch die Lunge aus dem Hals geschrien, um euch zu warnen«, sagte Julian, als er sah, wie Anne blass wurde. »Kopf hoch! Überleg lieber mal, was für eine Geschichte du nach den Ferien in der Schule erzählen kannst.«
»Ich bin der Meinung, dass jetzt ein heißer Kakao willkommen wäre«, meinte Tante Fanny, die sich von dem ersten Schreck etwas erholt hatte. »Ich werde ihn schnell machen, und du, Quentin, siehst inzwischen nach, ob das Feuer im Arbeitszimmer noch brennt. Die Wärme wird uns allen gut tun.«
Das Feuer brannte noch munter. Sie setzten sich alle um den Kamin. Tante Fanny wurde mit Jubel empfangen, als sie mit dem dampfenden Kakao erschien.
Anne blickte neugierig im Raum umher, während sie ihren Kakao trank. Hier also arbeitete Onkel Quentin; hier schrieb er seine dicken Bücher, von denen Anne nicht das Geringste verstand; hier entwarf er seine sonderbaren Zeichnungen und hier führte er seine schwierigen Versuche durch.
Doch im Moment blickte Onkel Quentin nicht gerade sehr klug und geistreich drein. Er machte einen beschämten Eindruck. Anne erfuhr bald den Grund.
»Quentin, wir müssen Gott danken, dass keiner von uns verletzt oder getötet wurde«, begann Tante Fanny und blickte ihren Mann ernst an. »Wohl ein dutzend Mal habe ich dich gebeten, die Esche fällen zu lassen. Der Baum war zu mächtig und auch zu alt und morsch. Ich war immer in Angst, wenn es stürmte.«
»Ich weiß, du hast Recht«, erwiderte Onkel Quentin kleinlaut und rührte heftig und verlegen in seinem Kakao. »Aber ich hatte in den letzten Monaten sehr viel zu tun.«
»Du hast immer eine Entschuldigung, wenn dringende Dinge erledigt werden müssen«, sagte die Tante mit einem Seufzer.
»Ich werde von jetzt ab wichtige Angelegenheiten selber in die Hand nehmen. Ich kann es wirklich nicht verantworten, dass unser Leben in Gefahr gerät.«
»Na, so etwas kommt wohl alle Jubeljahre einmal vor!«
Onkel Quentin fuhr wütend hoch. Er beruhigte sich jedoch, als er sah, dass seine Frau ganz außer Fassung geraten war und mit den Tränen kämpfte. Er stellte seine Tasse ab und legte seinen Arm um sie.
»Der Schreck ist dir in die Glieder gefahren«, sagte er begütigend.
»Quäl dich nicht. Morgen, am hellen Tag, sieht alles nicht mehr so schlimm aus.«
»Ach, Quentin, es wird alles noch viel ärger sein«, widersprach seine Frau.
»Wo sollen wir nun nachts schlafen? Was werden wir anfangen, bis das Dach und die oberen Räume wieder hergerichtet sind? Die Kinder sind gerade erst heimgekommen.
Das Haus wird in den nächsten Wochen von Handwerkern wimmeln. Ich weiß wirklich nicht, wie ich das alles schaffen soll.«
»Überlass das nur mir«, redete ihr Onkel Quentin gut zu.
»Ich werde die Sache schon in Ordnung bringen. Sorge dich nicht weiter. Ich bin sehr bekümmert darüber, weil ich mit schuld daran bin.«
Tante Fanny glaubte nicht so recht an seine Zusicherungen.
Sie war aber fü r seine Bereitwilligkeit dankbar. Die Kinder hörten ruhig zu,
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