Fünf Kopeken
Sie was Bestimmtes?«, fragte er endlich.
Wie ertappt ließ ich den Kopf fallen und betrachtete den Technikplunder, der auf dem Tisch vor ihm ausgebreitet war, Schnurtelefone, Kameras, Radios mit offenem Gehäuse. »Nicht wirklich«, sagte ich, während ich mit der Kanne einer alten Kaffeemaschine spielte.
Einen Augenblick überlegte ich mir, ihn einfach auf meine Mutter anzusprechen.
Aber einfach war daran natürlich gar nichts. Was sollte ich denn sagen? Hatten Sie mal eine Affäre mit einer Frau, die wirklich hässlich war? Oder vielleicht auch wirklich schön? Die vielleicht ein bisschen so aussah wie ich, nur mit anderen Haaren und einem anderen Mund und einem anderen Körper? Haben Sie mal einer Frau so eine Münze geschenkt und sind dann einfach verschwunden? Und wenn ja: Warum? Mussten Sie woanders hin oder wollten Sie nur weg von ihr? Haben Sie sie geliebt? Ach übrigens, Anna mein Name, klingelt da was bei Ihnen? Ja? Freut mich, Sie hätten mein Vater sein können. Sind Sie nicht. Hätten Sie aber sein können.
»Die ist original aus den 70ern«, sagte er und hob die Kaffeemaschine an, »Top-Zustand.«
»Ah wirklich?«, sagte ich und nahm ihm das leuchtend grüne Ding ab. Meine Finger zitterten, während ich sie an der Kanne entlangfahren ließ.
»Schönes Stück«, sagte ich und stellte sie schnell wieder ab, »was soll sie denn kosten?«
Er beugte sich nach vorne und sagte einen Preis, den ich nicht verstand, war plötzlich wieder so nah, dass ich seinen künstlich süßen Atem riechen konnte.
»Oh, also, soviel hab ich leider nicht dabei«, stammelte ich, und »äh, vielleicht ein andermal«, drehte mich um, bevor er noch etwas erwidern konnte, und lief davon.
Der Heimweg dauerte eine halbe Ewigkeit, weil ich so damit beschäftigt war, mich zu fragen, ob ich ihn doch hätte fragen sollen, dass ich mehrfach falsch abbog. Erst als ich schließlich doch zu Hause ankam, als ich mir das Gesicht gewaschen hatte und an meinem Schreibtisch saß, als ich wieder eine Weile vor mich hingetippt und dann doch den Laptop zugeklappt hatte, kam ich zu dem Schluss, dass ich richtig gehandelt hatte. Weil ja allein die Idee, dieser Mann könne Alex sein, völlig lächerlich war. Weil es, selbst wenn er es gewesen wäre, mir ja auch nichts gebracht hätte. Weil meine Mutter in derselben Situation garantiert gefragt hätte. Mit ein bisschen gutem Willen schaffte ich es sogar, stolz auf mich zu sein, ihn nicht angesprochen zu haben.
Und seither vergeht kein Sonntag, an dem ich nicht zurück zum Flohmarkt laufe und hoffe, dass er wieder da ist.
Über die Autorin
SARAH STRICKER , 1980 in Speyer geboren, besuchte die Deutsche Journalistenschule in München und schrieb nach Einsätzen bei der taz und bei Vanity Fair für viele deutsche Zeitungen und Magazine (Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine, Neon). 2009 ist sie mit einem Stipendium nach Tel Aviv gegangen und kurzerhand dort geblieben, sie berichtet für deutsche Medien über Israel und für israelische Medien über Deutschland. »Fünf Kopeken« ist ihr schriftstellerisches Debüt, für einen Auszug daraus ist sie 2011 mit dem Martha-Saalfeld-Förderpreis ausgezeichnet worden.
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG
Die Autorin dankt dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz für die Förderung dieses Romans.
Originalausgabe
Copyright © 2013 by Eichborn Verlag in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
Umschlaggestaltung: Christina Hucke
Umschlagmotiv: © Michal Chelbin / INSTITUTE
Datenkonvertierung E-Book: Greiner & Reichel, Köln
ISBN 978-3-8387-4523-7
Sie finden uns im Internet unter
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