Fünf Schlösser
das Ansehen ihrer Mutter, der Madame de Verelst, hinaus – im Jahre 90 in Rheinsberg retablierte, war Thiébault längst aus Preußen nach Frankreich zurückgekehrt. Er spricht anerkennend nur von ihrer Schönheit (»elle était sans contredire la plus belle personne de ce pays-là«), versichert aber an selber Stelle, »daß sie leichtfertig, kapriziös und eigentlich beschränkt gewesen sei«. Dies trifft nun sicherlich nicht zu, und der Sohn Thiébaults, General in der französischen Armee, hielt es, bei Publizierung einer späteren Auflage der »Souvenirs« seines Vaters für angemessen, in einer Anmerkung einen im Jahre 13 geschriebenen Brief abzudrucken, der ihm behufs Richtigstellung dieser Dinge zugegangen war. »Die frühre Frau von Elliot«, so heißt es in dieser kritikübenden Zuschrift, »ist weit entfernt davon, eine beschränkte Dame zu sein, so weit, daß vielmehr umgekehrt ihre zahlreichen Erfolge mehr noch ihrem Esprit als ihrer Schönheit zuzuschreiben sind. Und bis zu dieser Stunde noch erfreut sie sich des Vorzuges, in ihrem Auftreten ebenso gefällig zu sein wie tatsächlich zu gefallen.«
Hiermit stimmt auch das Bild überein, das in dem weiten Zirkel ihrer Verwandtschaft von ihr fortlebt. In einer mir zugehenden Zuschrift heißt es: »Sie war der Typus einer Grande Dame des vorigen Jahrhunderts und hatte viel Verwandtes mit der entzückenden Gräfin La Roche-Aymon (geborene von Zeuner), die mit ihr gleichzeitig am Rheinsberger Hofe glänzte. Doch war sie dieser letzteren – an der, außer ihrer Schönheit, nur eine gewisse Naivetät des Nicht-Wissens hervorleuchtete – durch Esprit und ein natürliches Verständnis für Dinge der Kunst und Literatur überlegen.«
Über all das, was ihr fehlte, geben die mehr zu Beginn dieses Aufsatzes mitgeteilten Briefe, die Baron Knyphausen an seinen Vater schrieb und aus denen ich seinerzeit alles Wichtigste mitgeteilt habe, den genausten Aufschluß. Aber fast möcht ich die darin Geschilderte mehr noch und entschiedener in Schutz nehmen, als es seitens ihres damaligen, ihr »heimlich« und »versuchsweis« angetrauten Gatten geschah. Indem er sie verteidigt, klagt er sie doch zugleich auch an, und dieser Ton klingt überall durch. Er persönlich mochte dazu berechtigt sein, ebensosehr seiner seriösen Natur als seiner aparten Lage nach, wir Nachlebenden aber können milder und in dieser Milde vielleicht auch gerechter sein. Ist es richtig (und es wird richtig sein), daß sie der Typus einer »vornehmen Dame« des vorigen Jahrhunderts war, so liegt uns die Pflicht ob, sie nicht bloß aus ihrer Epoche, sondern vor allem auch aus ihrem Gesellschafts kreise heraus zu beurteilen, will sagen aus einem Kreise heraus, darin der Charakter nicht viel und die Tugend noch weniger bedeutete und in dem, bei Beurteilung schöner Frauen, über vieles hinweggesehen werden durfte, wenn sie nur über drei Dinge Verfügung hatten, über Schönheit, Esprit und Charme.
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Frau von Arnstedt wird hier Luise von Arnstedt genannt, in der Knyphausenzeit hieß sie Charlotte . Widersprüchen und Abweichungen derart begegnet man beständig, und Kirchenbücher, Grabdenkmäler und Hausinschriften, an deren Zuverlässigkeit man zu glauben gewöhnt ist, lassen einen geradso gut im Stich wie Mitteilungen und Briefe der Hinterbliebenen. Das schöne Fräulein von Voß (später Gräfin Ingenheim) heißt im Bucher Kirchenbuche Amalie , in den Tagebuchaufzeichnungen ihrer Tante, der Gräfin von Voß, aber heißt sie Julie ; am Herrenhause zu Lichterfelde wird auf einem über der Tür angebrachten Inschriftssteine Herr » Joachimus de Roncha ex Italia de Manilia « als Baumeister genannt, ein nie dagewesenen Name, zu dem sich ein geographischer Unsinn gesellt; auf dem Bilde des berühmten Otto Christoph von Sparr in der Marienkirche zu Berlin ist 1605 als Geburtsjahr von Sparrs angegeben, eine Zahl, die mindestens einem Zweifel unterliegt; an dem berühmten Scharnhorstdenkmal auf dem Invalidenkirchhofe erweisen sich Geburts ort und Geburts jahr als falsch, und der Maler Wilhelm Hensel, der sein Grab auf dem alten Dreifaltigkeitskirchhof hat, wurde nicht in Linum (wie der Grabstein angibt), sondern in Trebbin geboren. Die Reihe solcher Beispiele ließe sich leicht fortsetzen, und in aberhundert Fällen bestätigt es sich in der Tat, daß nichts schwerer ist, als einfach festzustellen, welche Namen Personen führten, wann und wo sie geboren wurden und wann und wo sie starben. [Image:
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