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Fünf Schlösser

Fünf Schlösser

Titel: Fünf Schlösser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Kriegsoperationen, die folgten, sogen aufs neue das Land aus, und wer nicht fest im Sattel saß (wie beispielsweise der alte Hertefeld auf dem benachbarten Liebenberg), der erlag unter einer Last von Schulden. Unter diesen Schwerbedrängten und fast Erliegenden war auch unsere Krautentochter, und gleich nach dem Kriege bot sich ihr nur ein einzig Mittel noch, um sich zu hatten: der Wald . Es mußte niedergeforstet und alles zu Gelde gemacht werden, und derselbe Harenzacken-Wald, der einst, in zurückliegenden Tagen, der Schauplatz unvergeßner Triumphe gewesen war, er fiel jetzt unter der Axt der Holzschläger, und die schönen Stämme wurden verschleudert, um einigermaßen die Mittel für ein auch jetzt noch auf vornehmem Fuße geführtes Leben herbeizuschaffen. Von in Betracht kommenden Erträgen aus der Landwirtschaft konnte keine Rede sein in einer Zeit, wo der Scheffel Roggen einen Taler und unter Umständen auch nur einen Gulden kostete.
    So war denn »Geld und wieder Geld« die Losung im Leben unserer Hoppenrader Erbherrin geworden, und einer ihrer Untergebenen, ein Förster, dem sie durch ihren Einfluß nicht bloß einen höheren Titel erwirkt, sondern zu dessen Klugheit und Umsicht sie gleichzeitig ein großes Vertrauen hatte, war ihr dabei zu Willen. Es war dies der Oberförster oder Forstinspektor Görwitz, ein Lebemann, frank und frei, der aller Welt gefiel, vor allem auch seiner Herrin, und ein Jahrzehnt lang oder länger eine Försterexistenz führte, von der noch jetzt gesprochen wird und die damals in der halben Grafschaft Ruppin eine Mischung von Neid und Bewunderung erregte. Mit Hilfe der ihm unterstellten Forsten, deren Gesamtheit mehr als 9000 Morgen umfaßte, war er der eigentliche »Mann der Situation«, ja, in gewissem Sinne der große Financier der Löwenberg-Hoppenrader Herrschaft geworden und lebte denn auch seinerseits im Vollbewußtsein dieser seiner Machtstellung auf dem Fuße der haute finance. Zweimal wöchentlich führten ihn Geschäfte, wirkliche oder vorgebliche, nach Berlin, und im elegantest aufgeschirrten Jagdwagen oder noch lieber in einer in Löwenberg genommenen Extrapost fuhr er um elf Uhr vormittag bei Lutter und Wegner vor, um ein Gabelfrühstück zu nehmen. Aber der Nachmittag kam und ging, und am Abend hielten und warteten die Pferde noch, und erst wenn die Theater aus und das Neueste, das die »Habitués« aus dem Schauspielhause mit herüberbrachten, unter den Kommentaren der Witzköpfe mit durchgeredet war, ging es um mitternächtige Stunde wieder bis in seine Försterei zurück.
    Die war nun selber keine »Försterei« mehr, sondern präsentierte sich als ein villenartiges Landhaus, auf dessen Vorplatz allerlei seltene Pflanzen im Freien oder in großen Kübeln standen: Aloe, Hortensien und Georginen, die gerade damals in die Mode gekommen waren.
    Alles das unter Zustimmung seiner Herrin, die klug und recht tat, ihn gewähren zu lassen. Denn er hatte neben dem raschen Blick auch die glücklich rücksichtslose Hand des Lebemannes und half, eben weil er der war, der er war, ohne Skrupel und Schwerfälligkeiten über den Tag hinweg. Und »après nous le déluge«.
    Und wirklich, als die Sündflut kam, war es »après«, und die lebenslustige Dame, die nicht sparen und marchandieren und, aller wachsenden Lebensnot unerachtet, auch nicht entbehren oder gar entsagen gelernt hatte, war nicht mehr unter den Lebenden. Am 13. September 1819 starb sie während ihres Aufenthalts in Berlin und wurde, wie's einer »Krautentochter« zukam, im Krauten-Erbbegräbnis zu Sankt Nikolai beigesetzt. Mutmaßlich als die letzte, die diesen Namen geführt. Sie war ihres Alters siebenundfünfzig Jahre und hinterließ eine beträchtliche Last persönlicher Schulden, weil ebendiese Schulden auf ihre Güter, die Fideikommißgüter waren, nicht eingetragen werden konnten.
    Es hatte sich ein reiches und bewegtes Leben geschlossen. Ob auch ein glückliches? Alles in allem, ja. Sie verstand die Kunst, den Augenblick zu genießen und sich das, was die Stunde bot, durch Zukunftsbetrachtungen oder gar durch Zukunftsbefürchtungen nicht allzusehr trüben zu lassen. Sie war sanguinisch und erfreute sich der Vorzüge dieses Temperaments.
    Es liegen mir hinsichtlich ihres Charakters allerhand Aussprüche vor. Am ungünstigsten lautet das, was Thiébault in seinen »Souvenirs« über sie sagt. Aber Thiébault war nicht von der Partei der »Krautentochter«. Überdies, als diese sich – und zwar weit über

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