Fünf Schlösser
ein dauernder Aufenthalt geworden wäre, wenn nicht der unerwartete Tod der Frau von Hertefeld alle darauf gerichteten Pläne wieder gekreuzt hätte. Frau von H. starb an einer rasch in Schwindsucht übergehenden Lungenaffektion im Frühjahre 1797 und wurde, wenige Tage später, von ihrer Berliner Stadtwohnung aus, nach Liebenberg übergeführt, um in der dortigen Gruft unter der Kirche beigesetzt zu werden. Ihr Tod erschütterte den Gatten tief, und er schrieb unterm 8. April an seine Tochter Alexandrine: »Deine lieben Zeilen haben mich bereits hier in Liebenberg getroffen, in dessen Abgeschiedenheit ich heimischer bin als in der großen Stadt. Anfangs kehrte mir freilich der Schmerz verdoppelt zurück, als ich die Zimmer wiedersah, die die Teure vor ihrem Heimgange bewohnte, bald aber wurd ich meines Schmerzes Herr, und zwar gerade dadurch, daß ich mich, abweichend von dem, was andere wohl in gleicher Lage zu tun pflegen, mit allem umgab, was der teuren Toten einst lieb und wert gewesen. Ich krame täglich in ihrem Schreib- und Nähtisch, in ihren Wäsch- und Kleiderschränken umher, stell alle Nippsachen an ihren rechten Platz und sehe vergilbte Blätter und Briefe durch, die mir alte glückliche Zeiten ins Gedächtnis rufen. Und warum all dies nicht ? Warum es vermeiden? Umgekehrt, es ist mir, als ob mir ein unendlicher Trost daraus erflösse... Meine Ruhe wiederzufinden ist mir freilich noch nicht geglückt, aber es ist der Verlust, der mich daran hindert, nicht das Gewissen. Ich habe mir keine Vorwürfe zu machen, und das hält und trägt mich und wird mir über lang oder kurz auch meine Gesundheit wiedergeben, die, für den Augenblick, beinahe mehr noch durch das lange Kommensehen des Ereignisses als durch das Ereignis selbst erschüttert worden ist.« Und an anderer Stelle: »Wisse, Kind, es sind Pflichten, die mich halten. Am liebsten aber ruht ich mit in der Liebenberger Gruft.«
Alle philosophische Betrachtung, in der er vorher so fest zu stehen vermeint hatte, reichte nicht aus, ihm jene Freudigkeit der Seele wiederzugeben, die bis dahin, wie der hervortretendste Zug seiner Natur, so sein eigenstes Glück gewesen war.
Und doch vielleicht, daß er diese Freudigkeit sich wiedergewonnen hätte, wenn unser gesamtes öffentliches Leben ein anderes gewesen wäre. Aber der ganze Zuschnitt mißfiel ihm. Es war die Zeit der Üppigkeiten und der Geistererscheinungen, der Rietz und des Rosenkreuzertums, und viele seiner Briefe geben uns wenigstens Andeutungen über den Gegensatz, in dem er innerlich zu Hof und Hauptstadt stand.
»Es hat nun wirklich«, so schreibt er am 18. März 1797, »das kirchliche Aufgebot des Grafen Stolberg-Stolberg und der Gräfin von der Mark (Tochter der Rietz-Lichtenau) stattgefunden. An demselben Abende wurd in der Stadtwohnung der Lichtenau Komödie gespielt, und eine Oper kam zur Aufführung. Über das Brautpaar wird inzwischen allerlei gesprochen. Der Graf, dessen Vater vor dem Bankrutte steht, erfreut sich keines guten Rufes. Er glaubt aber wohl in der Braut das Huhn mit den goldenen Eiern zu haben und rechnet natürlich auf die Börse des Königs. Als ein Zeichen für die Stimmung, die gegen die Lichtenau herrscht, mag Dir das dienen, daß in derselben Stunde, wo die Theateraufführung stattfand, in ihrem Charlottenburger Palais ein Einbruch ausgeführt wurde. Diebe, die keine Diebe waren, sperrten den Kastellan ein und begannen nun ein Werk völliger Zerstörung: Spiegel und Porzellane wurden zerschlagen, Tapisserien und Vorhänge zerrissen, Betten und Überzüge beschmutzt – all das, ohne daß auch nur eine Nadel entwendet worden wäre. Dagegen ließ man Karten zurück, auf denen die heftigsten Beschimpfungen und Schmähworte gegen die Lichtenau standen. Alles offenbar ein Akt der Rache. Die Polizei forscht den Exzedenten nach, ohne sie bis jetzt finden zu können. Aber weh ihnen, wenn sie gefunden werden . Denn der König ist begreiflicherweise voll Entrüstung über einen Hergang, der sich unmittelbar gegen ihn selber richtet.«
Einem ablehnenden Tone der Art begegnen wir überall, und so kann es nicht überraschen, daß der Schreiber dieser und ähnlicher Briefe noch einmal an den Rhein zurückging, um gegen alle »Hofluft« gesichert zu sein. In Liebenberg aber ließ er nicht bloß einen Pächter zurück, »der Artigkeit und Devotion mit Wahrnehmung eigner Vorteile geschickt zu verbinden wußte«, sondern räumte die leerstehenden Zimmer auch dem Obersten von
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