Fünf Wochen im Ballon
sie sich an einer Liane hielten, die an Bäumen herüber und hinüber gespannt war. Statt der Wälder sah man Dschungeln, in denen Alligatoren, Nilpferde und Nashörner ihre Schlupfwinkel suchten.
»Bald werden wir den Niger erreicht haben, sagte der Doctor; die Landschaft nimmt in der Nähe großer Flüsse eine andere Gestalt an. Diese Wasserstraßen haben zuerst die Vegetation hervorgerufen, wie sie später auch die Civilisation hierher bringen werden. So hat der Niger, in seinem Lauf von zweitausendfünfhundert Meilen, an seinen Ufern die wichtigsten Städte Afrikas.
– Halt, schob hier Joe ein, das erinnert mich an die Geschichte von jenem Schlaukopf, der die Weisheit der Vorsehung besonders darin bewunderte, daß sie die großen Flüsse gerade durch die Städte geführt habe!«
Am Mittag segelte der Victoria über die ehemalige Hauptstadt Gao hinweg; jetzt zeigt sie nur noch eine Vereinigung armseliger Hütten, und bildet einen kleinen Marktflecken.
»Dort setzte Barth bei seiner Rückkehr aus Timbuktu über den Niger, erzählte Fergusson; es ist dies der bereits im Alterthum bekannte Fluß, der Nebenbuhler des Nil, dem der heidnische Glaube einen himmlischen Ursprung gab; wie dieser hat er die Aufmerksamkeit der Geographen aller Zeiten in Anspruch genommen, und seine Erforschung hat noch zahlreichere Opfer gekostet als jener.«
Der Niger floß zwischen zwei weit von einander gelegenen Ufern dahin; seine Gewässer rollten mit großer Gewalt dem Süden zu, aber die Reisenden konnten die merkwürdigen Linien seines Laufs nicht näher besichtigen, sie wurden im Fluge weiter getragen.
»Ich wollte Euch von diesem Strome sprechen, und schon ist er uns fern gerückt! Unter den Namen des Dhiuleba, Mayo, Egghirreu, Quorra und anderen mehr durchfließt er eine ungeheure Länderstrecke, und kann es an Länge fast mit dem Nil aufnehmen. All’ diese Namen bedeuten schlechtweg ›Strom‹, je nach der Sprache der verschiedenen Länder, durch welche er fließt.
– Hat Doctor Barth diese Straße verfolgt? fragte Kennedy.
– Nein, Dick; als er den Tschad-See verließ, reiste er durch die hauptsächlichsten Städte von Bornu und durchschnitt den Niger bei Say, vier Grad südlich von Gao; dann drang er in das Innere jener unerforschten Gegenden, die der Niger in seinem Bogenlaufe umschließt, und gelangte nach achtmonatlichen, neuen Strapazen nach Timbuktu. Diese Reise werden wir bei günstigem Winde in drei Tagen vollenden.
– Hat man die Quellen des Niger entdeckt? fragte Joe.
– Seit lange schon. Die Erforschung des Niger und seiner Nebenflüsse hat zahlreiche Entdeckungsreisen veranlaßt, von denen ich nur die hauptsächlichsten nennen will. Von 1749 bis 1758 bereist Adamson das Flußgebiet und besucht Gorée; von 1785 bis 1788 durchstreifen Golberry und Geoffroy die Wüsten Senegambiens und kommen bis zu dem Lande der Mauren, die Saugnier, Brisson, Adam, Riley, Cochelet und so viele andere Unglückliche ermordeten. Dann folgt der berühmte Mungo-Park, ein Freund Walter Scott’s, und wie dieser ein Schotte. Er wurde im Jahre 1795 von der afrikanischen Gesellschaft zu London abgesandt, erreicht Bambarra, sieht den Niger, macht in Gesellschaft eines Sclavenhändlers fünfhundert Meilen, recognoscirt den Gambia und kehrt im Jahre 1797 nach England zurück. Am 30. Januar 1805 reist er mit seinem Schwager Anderson, dem Zeichner Scott und einer Schaar Handwerker wieder ab, kommt in Gorée an, nimmt sich eine Verstärkung von fünfunddreißig Soldaten, sieht am 19. August den Niger wieder, aber von vierzig Europäern bleiben in Folge der übermenschlichen Anstrengungen, Entbehrungen, Mißhandlungen, der Ungunst des Himmels, und der ungesunden Ausdünstungen des Landes nur noch elf am Leben; am 16. November gelangten die letzten Briefe Mungo-Parks an seine Frau, und ein Jahr später erfuhr man durch einen Handelsmann dieses Landes, daß der unglückliche Reisende am 23. December in Bussa am Niger angekommen, seine Barke von den Katarakten des Stromes umgestürzt, und er selbst von den Eingeborenen ermordet sei.
– Und dies schreckliche Ende hielt die Forscher nicht zurück?
– Im Gegentheil, Dick; denn jetzt hatte man nicht nur den Fluß zu recognosciren, sondern auch die Briefschaften und Notizen des Reisenden aufzusuchen. Im Jahr 1816 wird zu London eine Expedition organisirt, an welcher sich Major Gray betheiligt; diese kommt in das Senegal, dringt nach Futa-Dhiallon, besucht die Völkerschaften der Fulahs
Weitere Kostenlose Bücher