Fünf Wochen im Ballon
vertauschen, und von dort rückte er, alle Hindernisse überwindend, den Entbehrungen Trotz bietend, wandernd und betend allmälig bis zu jenen Völkerschaften vor, die an den Zuflüssen des obern Nil wohnen; zwei Jahre lang wurde seine Religion zurückgewiesen, sein Eifer verkannt, seine christliche Liebe mißdeutet; er wurde als Gefangener bei einem der grausamsten Völkerstämme Nyambarra’s zurückgehalten und tausend Mißhandlungen preisgegeben, aber nie ermüdete er zu lehren, zu unterweisen und zu beten. Dieser Volksstamm wurde in einem der in diesen Gegenden so häufigen Kämpfe auseinandergesprengt und zerstreut, und er selber als todt zurückgelassen. Aber anstatt jetzt dahin zurückzukehren, woher er gekommen, setzte er seine evangelische Pilgerfahrt fort. Seine friedlichste Zeit war die gewesen, in der man ihn für einen Narren hielt; er hatte sich mit den Mundarten dieser Landstriche vertraut gemacht und katechisirte fortwährend. So durchstreifte er noch zwei lange Jahre diese barbarischen Gegenden, von jener übermenschlichen Kraft getrieben, die nur Gott verleihen kann. Seit einem Jahre etwa verweilte er unter dem »Barafri« genannten Stamme der Nyam-Nyam, einer der wildesten Völkerschaften Afrikas. Der Häuptling war vor einigen Tagen gestorben, und da man dem Missionar die Schuld an diesem unerwarteten Tode beimaß, beschloß man, ihn zu opfern. Seine Marter hatte schon vierzig Stunden lang gewährt; er sollte, wie der Doctor vermuthet hatte, um die nächste Mittagsstunde sterben.
Als er das Krachen der Feuerwaffen hörte, riß ihn die Liebe zum Leben fort: »Zu Hilfe! zu Hilfe!« rief er, und glaubte geträumt zu haben, als eine vom Himmel kommende Stimme ihm Worte des Trostes sandte.
»Ich bedaure nicht mein dahinschwindendes Leben, fügte er hinzu; es ist Gottes Eigenthum!
– Hoffen Sie noch, tröstete der Doctor, wir sind bei Ihnen und werden Sie vom Tode erretten, wie wir Sie der Marter entrissen haben.
– Ich bitte den Himmel nicht darum, entgegnete der Priester ergebungsvoll; gesegnet sei Gott, der mir vor meinem Tode das Glück gewährt hat, noch einmal die Sprache meines Vaterlandes zu hören und Freundeshände zu drücken.«
Der Missionar wurde wieder von seiner Schwäche übermannt. So verging der Tag zwischen Hoffnung und Furcht; Kennedy war sehr bewegt und auch Joe trocknete sich wiederholt die Augen.
Der Victoria trieb nur langsam vorwärts; der Wind schien seine kostbare Last schonen zu wollen.
Gegen Abend signalisirte Joe einen ungeheuren Lichtschein im Westen. Unter einer höhern Breite hätte man dies Phänomen für ein großes Nordlicht halten können, der Himmel schien in Flammen zu stehen. Der Doctor untersuchte diese Naturerscheinung mit äußerster Aufmerksamkeit.
»Es kann nur ein feuerspeiender Berg in Thätigkeit sein, sagte er.
– Aber der Wind trägt uns dorthin, versetzte Kennedy.
– Nun, so werden wir in einer beruhigenden Höhe darüber hinweg segeln.«
Drei Stunden später befand sich der Ballon über den Bergen, unter der genauen Lage von 24°15’ L. und 4°42’ Br.; vor ihm ergoß ein entzündeter Krater Ströme flüssiger Lava und schleuderte glühende Felsstücke hoch empor; in blendenden Cascaden stürzten sich Bäche fließenden Feuers herab.
Ein prächtiges, aber zugleich gefährliches Schauspiel, denn der Wind trug in beständiger Richtung den Ballon nach dieser in einer Feuersbrunst stehenden Atmosphäre hin.
Da der Vulkan ein Hinderniß war, das man nicht umgehen konnte, so mußte man es übersteigen. Das Knallgasgebläse wirkte mit voller Flamme und der Victoria gelangte in eine Höhe von sechstausend Fuß, indem er zwischen sich und dem Vulkan einen Raum von über dreihundert Toisen ließ.
Der sterbende Priester betrachtete von seinem Schmerzenslager aus den feurigen Krater, von dem unter Donnerkrachen tausend blendendrothe Flammengarben emporstoben.
»Wie schön ist das, sagte er, und wie unendlich groß ist Gottes Macht sogar in den furchtbarsten Naturerscheinungen!«
Der Lavastrom umzog die Seiten des Berges wie mit einem Flammenteppich; die untere Halbkugel des Ballons warf den Feuerschein durch das Dunkel der einbrechenden Nacht in hellem Glanze zurück; eine fast sengende Gluth stieg bis zur Gondel empor, und Doctor Fergusson that, was in seinen Kräften stand, dieser gefährlichen Lage zu entfliehen.
Gegen zehn Uhr Abends war der Berg nur noch als rother Punkt am Horizont sichtbar, und der Victoria setzte ruhig seine Reise
Weitere Kostenlose Bücher