Fünf Wochen im Ballon
schien dem Angriff entgegenzusehen, denn als der Jäger näher kam, sprang er mit einem ungeheuren Satze auf ihn zu. Aber noch hatten seine Füße nicht wieder die Erde berührt, da drang eine Kugel ihm in’s Herz. Er fiel todt zu Boden.
»Hurrah! Hurrah!« schrie Joe.
Und nun eilte Kennedy zum Brunnen, glitt auf den feuchten Stufen hinunter und lag, das köstliche Naß schlürfend, an einer frischen Quelle.
Joe ahmte ihm nach, und einige Zeit war nichts zu vernehmen als das Geräusch des Zungenschnalzens, wie man es hört, wenn Thiere, die lange nach Wasser lechzten, ihren Durst stillen.
»Wir müssen uns in Acht nehmen, Herr Dick, daß wir uns nicht zu viel thun«, warnte Joe, Athem schöpfend.
Aber Dick trank noch immer und antwortete nicht. Er senkte seinen Kopf und seine Hände in das erquickende Wasser und berauschte sich förmlich in diesem Genuß.
»Und Herr Fergusson?« erinnerte Joe.
Dies eine Wort genügte, um Kennedy wieder zu sich selbst zu bringen; er füllte eine Flasche und stürzte die Stufen des Brunnens hinaus.
Aber hier blieb er wie angewurzelt vor Ueberraschung stehen; ein dunkler, umfangreicher Körper versperrte den Eingang. Joe, der dem Jäger gefolgt war, mußte mit ihm zurückweichen.
»Wir sind eingeschlossen!
– Das ist unmöglich! Was kann das sein?« …
Dick führte seine Worte nicht zu Ende; ein fürchterliches Gebrüll belehrte ihn, welch’ neuer Feind ihm gegenüberstand.
»Noch ein anderer Löwe! rief Joe.
– Nein, eine Löwin! Warte, du verwünschte Bestie, warte! … und der Jäger hatte in einem Moment seinen Carabiner geladen und feuerte, aber das Thier war verschwunden.
– Vorwärts! commandirte Kennedy.
– Nein, Herr Dick, Sie haben das Thier noch nicht getödtet, der Körper wäre sonst hier hinein gerollt; ich bin überzeugt, die Bestie steht draußen zum Sprunge bereit, und wer von uns sich zuerst hinauswagt, ist verloren.
– Aber was sollen wir thun? Hinaus müssen wir. Samuel wartet auf uns!
– Lassen Sie uns das Thier anlocken, und nehmen Sie jetzt meine Flinte für Ihren Carabiner.
– Was hast Du vor?
– Sie werden gleich sehen.«
Joe zog seine Leinwandjacke aus, befestigte sie vorn an der Büchse, und reichte sie als Köder vor den Eingang des Brunnenhauses. Das wüthende Thier stürzte sich sofort darauf los. Kennedy hatte sein Erscheinen an der Oeffnung erwartet und zerschmetterte ihm jetzt mit einer Kugel die Schulter. Die Löwin rollte auf die Brunnentreppe, indem sie Joe mit sich fortriß; er glaubte schon die ungeheuren Tatzen der Bestie zu fühlen, als ein zweiter Schuß krachte und Samuel Fergusson mit einem noch rauchenden Gewehr in der Hand am Eingange erschien.
Joe erhob sich eilig, schritt über den Körper der Löwin hinweg, und reichte seinem Herrn die gefüllte Wasserflasche.
Sie an die Lippen führen und halb austrinken, war das Werk eines Augenblicks; dann dankten die drei Reisenden aus dem Grunde ihres Herzens der Vorsehung, die sie so wunderbar errettet hatte.
Achtundzwanzigstes Capitel.
Ein köstlicher Abend. – Joe’s Küche. – Erörterung über rohes Fleisch. – Geschichte von James Bruce. – Das Bivouak. – Joe’s Träume. – Das Barometer fällt. – Das Barometer steigt wieder. – Vorbereitungen zum Aufbruch. – Der Orkan.
Der Abend war herrlich, und die drei Freunde brachten ihn, nachdem sie sich an einem Mahle gelabt hatten, unter dem frischen Laub der Mimosen zu. Thee und Grog wurden heute nicht gespart.
Kennedy hatte das kleine Paradies nach allen Seiten hin durchsucht und gefunden, daß sie die einzigen lebenden Wesen auf diesem Gebiete waren. Sie streckten sich auf ihre Decken aus und erfreuten sich einer friedlichen Nacht, die ihnen Vergessen der überstandenen Leiden brachte.
Am Morgen des 7. Mai leuchtete die Sonne in ihrem hellsten Glanz, aber ihre Strahlen vermochten nicht, das dichte Laubwerk zu durchbrechen. Da Lebensmittel in hinreichender Menge vorhanden waren, beschloß der Doctor, an diesem Orte einen günstigen Wind abzuwarten.
Joe hatte seine tragbare Küche hierher transportirt, und versuchte eine Masse culinarischer Combinationen, bei denen er das Wasser mit sorgloser Verschwendung benutzte.
»Welch’ sonderbare Aufeinanderfolge von Leid und Freude, bemerkte Kennedy; dieser Ueberfluß nach so qualvoller Entbehrung! Dieser Luxus im Gefolge solches Elends! Ach, ich war nahe daran, den Verstand zu verlieren.
– Mein lieber Dick, wäre Joe nicht gewesen, so würdest Du jetzt
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