Für ein Ende der Ewigkeit (Lilith-Saga) (German Edition)
Ich konnte die Wellen hören, wie sie sich rhythmisch am Ufer brachen und sich mit meinem Atem vermischten. Der Wind wehte von der See her. Er zerzauste mein Haar. Mit einer energischen Geste strich ich es nach hinten.
Vor mir lag der leere Strand, der sich fast bis an den Horizont erstreckte. Die Sonne schien mir ins Gesicht. Ich blinzelte und kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können.
Möwen flogen über mich hinweg. Sie flogen Richtung Wasser. Sie waren auf der Jagd. Einige Kilometer entfernt bewegten sich kleine Punkte. Es waren Fischer, die mit ihrem Boot hinaus zu den Austernbänken fuhren.
Ich kannte die Gegend wie meine eigene Westentasche. Seit fast einem Monat joggte ich tagtäglich hier entlang. Jede Bucht, jede Erhebung der Dünen waren mir ebenso vertraut wie die Gezeiten des Meeres.
Es war das erste Mal, dass ich in Frankreich am Atlantik war. Zuvor war ich allerdings schon einmal auf dieser Insel gewesen. Das klingt jetzt widersprüchlich und ist es auch.
Ich erinnerte mich, wie es mir gelungen war, in Asmodeos Bewusstsein, in seine Gedanken zu gelangen und ihn auf eine Reise hierher, nach Noirmoutier, mitzunehmen. Engumschlungen waren wir an der gleichen Stelle in der untergehenden Sonne entlang geschlendert, bis der Nebel zurückgekommen war und uns aus unserem Paradies herausgerissen hatte.
Asmodeo.
Er hatte mich zunächst vier Jahre lang in meinen Träumen besucht und war dann in mein Leben getreten.
Asmodeo war atemberaubend schön, reich und die Liebe meines Lebens.
Asmodeo war aber noch mehr. Er war ein Dämon.
Ich merkte, wie ich langsamer wurde und zwang mich, meine Geschwindigkeit zu erhöhen. Meine Füße gruben sich bei jedem Satz tief in den weichen Boden. Es fiel mir schwer, in diesem Tempo weiterzulaufen. Dennoch genoss ich es, mich zu überwinden, mich zu verausgaben und meinen Körper zu spüren.
Aus den Augenwinkeln nahm ich einen Schatten wahr. Er bewegte sich um ein Vielfaches schneller als ich. Mir war klar, dass ich keine Chance hatte.
Keine Chance, zu entkommen.
Schwer atmend fuhr ich herum, um mich meinem Verfolger zu stellen.
Es war ein Hund. Ein rotbrauner Hund. Er hetzte auf mich zu. Er war mächtig und schwer, ich schätzte ihn auf nahezu fünfzig Kilo. Sein Maul war halb geöffnet, seine Lefzen hoben sich bei jedem Satz und ließen scharfe Reißzähne aufblitzen. Seine bernsteinfarbenen Augen waren auf mich fixiert.
Er war eindeutig stärker als ich.
Jetzt setzte er zu einem weiten, hohen Sprung an und flog mir wie ein Geschoss entgegen.
Obwohl ich damit gerechnet hatte und mich ihm entgegenstemmte, konnte ich mich nicht auf den Beinen halten und wurde nach hinten umgeworfen, als er gegen mich prallte.
Er stand halb über mir. Ich war ihm ausgeliefert. Schutzlos.
Er beugte sich zu mir herab. Seine große Schnauze kam immer näher. Und dann leckte er mir über das Gesicht.
Das war sein Fehler!
Ich packte ihn am Hals und drückte ihn zur Seite weg. Wir rollten über den Boden, er versuchte sich loszureißen, aber ich hielt ihn eisern fest.
Er gab einen zufriedenen Laut von sich. Ich hatte es wieder einmal geschafft.
„Mozart“, sagte ich, „schäm dich!“
Der Hund hechelte und sein langer Schwanz klopfte bestätigend auf den nassen Sand.
„Du sollst mich nicht in Grund und Boden rennen, sondern auf mich aufpassen!“
Er grunzte und schlug mit der Vorderpfote gegen meinen Oberkörper.
„Wo warst du überhaupt? Hast du wieder Hasen verfolgt?“
Direkt hinter den Dünen erstreckte sich ein ehemaliges Militärgelände aus dem zweiten Weltkrieg. Die unterirdischen Gänge hatte man längst zugeschüttet, aber es blieb unbebaubar. Im Laufe der Jahre hatte es sich zu einem Biotop entwickelt, in dem wilder Knoblauch, zarte Dünengräser und Disteln wuchsen. Und dort lebten Hasen – sehr zur Freude von Mozart.
Ich stand auf und klopfte mir den Sand ab. Mozart streckte sich und kam ebenfalls auf die Beine. Erwartungsvoll sah er mich an.
„Fuß“, befahl ich ihm.
Er gehorchte sofort und blieb dicht neben mir. Die Zeit für Spiele war vorbei. Er musste seine Pflicht erfüllen. Er musste das tun, wofür ihn Asmodeo angeschafft hatte.
Er musste mich beschützen.
Und ich brauchte Schutz.
Asmodeo war nicht da gewesen, als mich Mitglieder der Studentenverbindung Fraternitas Cornicis (der Bruderschaft des Raben) verschleppt hatten. Sie hatten mich in eine Burg gebracht, in der sie eine Forschungsanlage betrieben. Dort hatte mich ihr Chef,
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