Fuer eine Handvoll Bisse
herum.
Ich wusste ja, dass der Morgen nahte, aber hatten wir wirklich schon aufgegeben? Würden wir Haus Cadogan tatsächlich einfach ans GP übergeben, ohne uns zu wehren?
Ich ging in die Operationszentrale im Untergeschoss. Sie war leer. Vermutlich waren Luc und die anderen schon schlafen gegangen. Da ich keine Lust hatte, erneut mit Lacey aneinanderzugeraten, verkniff ich mir einen Besuch in Ethans Büro und ging direkt in sein Apartment, um dort auf ihn zu warten.
Während die Minuten verstrichen, machte ich mich bettfertig und ging dann die Evakuierungsmaßnahmen unseres Hauses durch, die online in unseren Sicherheitsprotokollen aufgeführt waren. Luc war sehr gründlich gewesen und hatte ein Sicherheits-»Handbuch« mit zahlreichen Kapiteln und Tausenden Fußnoten geschrieben. Allein im dritten Kapitel standen hundertzweiundvierzig Fußnoten, die Weisheiten (»Gartenharken helfen gegen Werwaschbären weniger, als man glauben mag«), Anekdoten (»Ich erinnere mich an Zeiten, als eine
Nachricht
noch auf dem Rücken eines Pferds überbracht wurde«) und Berufsgeheimnisse (»Honig lindert die Schmerzen nach einem Kobralilienkratzer«) beinhalteten.
Luc, der die Protokolle verfasst hatte, hatte auch einige Tests formuliert, mit denen er unser Wissen abfragte, wie zum Beispiel diesen Klassiker:
Frage: Wie kann man einen tobenden Zentauren am besten einsperren?
Antwort: Haha! Es gibt keine Zentauren, du Anfänger. Setz dich auf deine vier Buchstaben und lies gefälligst den
Kanon
.
Ich packte allerdings keinen Koffer. Ich weigerte mich, das zu tun und damit aufzugeben. Es gab nur wenige Dinge, die mir wirklich am Herzen lagen - die Familienperlen, mein verstecktes Cadogan-Medaillon, der Baseball, den mir Ethan geschenkt hatte. Aber sie würden bleiben, wo sie waren. Sie jetzt wegzupacken bedeutete, die Niederlage einzugestehen. Es war Ethan gewesen, der mir beigebracht hatte, Niederlagen niemals zu akzeptieren.
Ich kämmte meine Haare ein zweites Mal durch und sortierte dann die Gegenstände in meiner Nachttischschublade - Taschentücher, Lippenpflegestift, Socken für kalte Wintertage.
Bis zum Sonnenaufgang waren es nur noch ein paar Minuten, und Ethan war immer noch nicht da.
Er würde doch sicher vorher nach Hause kommen. Wo sollte er sonst schlafen?
Ich rollte mich im Ohrensessel in seinem Wohnzimmer zusammen und hörte der Uhr zu, wie sie mit leisem Ticken die Sekunden seiner Abwesenheit verkündete. Die automatischen Rollläden fuhren herab, und die Sonne ging auf. Mir fielen langsam die Augen zu. Die Tür blieb weiterhin geschlossen.
Das Apartment knarzte - es waren die Geräusche eines alten Hauses, das sich dem heulenden Wind entgegenstemmte.
Ich hielt mich so lange wach, bis ich vor Müdigkeit fast umfiel, und stolperte dann ungeschickt ins Bett und kroch unter die Decken. Die Laken waren rau und kalt. Ich rollte mich zusammen, um warm zu bleiben, mein Körper eine Insel der Wärme in einer Eiswüste gestärkter Baumwolle, in die sich unser Bett verwandelt hatte.
Wir befanden uns in einem Zermürbungskrieg, in einem Krieg der kalten Laken ... und ich war auf dem Weg, ihn zu verlieren.
KAPITEL SECHZEHN
KARTENTRICKS
Ich wachte allein auf, und die andere Betthälfte war kalt.
Ich setzte mich auf, während meine Gedanken rasten - ich fürchtete, dass er sich entschlossen hatte, sich von Lacey trösten zu lassen. Doch noch bevor ich aus dem Bett steigen konnte, ging die Tür auf. Ethan kam herein. Die Anzugsjacke trug er in der Hand, seine Hemdsärmel hatte er hochgekrempelt.
Ich schickte ein Dankgebet zum Himmel, dass er in Ordnung war, dass der vermeintliche Vampirmörder nicht in Haus Cadogan geschlichen war und ihn umgebracht hatte. Doch dann meldete sich mein Zorn zurück.
»Lange Nacht?«, fragte ich so ruhig wie möglich.
»Eine nicht enden wollende Strategiesitzung«, antwortete er. »Wir haben bis zum Sonnenaufgang gearbeitet, und ich bin auf dem Bürosofa eingeschlafen.«
»Und Lacey?«
»Sie war auch da«, sagte er nur. Er ging zum Bett, legte seine Anzugsjacke hin und nahm seine Manschettenknöpfe und die Uhr ab.
»All das nur, weil du wütend auf mich bist?«
Er sah mir nicht in die Augen. »Wir haben gearbeitet, Merit.«
»Bis zum Sonnenaufgang? Und dann war keine Zeit mehr, in dein eigenes Bett zurückzukehren? Zu mir?«
»Was soll ich deiner Meinung nach sagen?«
»Ich will, dass du zugibst, dass du sauer auf mich bist. Dass du willst, dass sie dich will, und sie
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