Fuer eine Handvoll Bisse
hatte ihn vermutlich in einem Büro oder in der Bibliothek verschwinden lassen, damit unsere Vorbereitungen voranschritten.
Man hatte mich vorgewarnt. Ich wusste, dass sie kommen würde, und ich wusste, sie würde wie eine erfolgreiche Strategieberaterin im Körper eines Supermodels aussehen - blonde Haare, perfektes Make-up, in einem teuren Kostüm, das sich an ihre schlanke Gestalt schmiegte, als ob es nur für sie gefertigt worden wäre. Was vermutlich der Fall war.
Aber das ... hatte ich nicht erwartet.
»Was trägt sie denn da?«, fragte Lindsey. »Warum hat sie kein Kostüm an? Sie kommt immer im Kostüm.«
»Jeans«, sagte ich ruhig. »Sie trägt Jeans.«
Um genau zu sein: Sie trug Jeans, kniehohe Reiterstiefel und einen sehr schicken karamellfarbenen Pullover. Sie hatte sich zwanglos gekleidet - geradezu normal -, obwohl sie die Meisterin eines Hauses war und nur zurückkehrte, um ihrem Meister Ethan zu dienen, während dieser sich um die Übergangsphase seines Hauses kümmerte.
Sie war ganz gewiss nicht die erste Vampirin, die Jeans trug. Die meisten Vampire unseres Hauses zogen sich leger an, wenn sie nicht im Dienst waren, und selbst Ethan hatte diese Leistung irgendwann vollbracht. Aber Lacey Sheridan war nicht irgendeine Vampirin.
Die Kleidung war aber nicht das Einzige, was sich an ihr verändert hatte. Ihre Haare waren so kurz wie zuvor, doch hatte sie ihren blonden Bob so schneiden lassen, dass die Enden auf Höhe ihres Kiefers spitz zusammenliefen. Das ließ sie modern und frech wirken, und es betonte ihre blauen Augen und perfekten Wangenknochen.
»Sie hat sich ... verändert«, flüsterte Lindsey. »Sie sieht gut aus, aber es ist echt schräg, sie normal angezogen zu sehen.«
»Schräg«, sagte ich, »und mit Sicherheit auch völlig beabsichtigt.«
»Eine Veränderung, um Ethans derzeitigen Geschmack zu treffen?«, flüsterte Lindsey und sah mich an. »Das halte ich für äußerst wahrscheinlich.«
In diesem Augenblick sah sich Lacey in der Menge um und entdeckte mich, und ihr Blick war eindeutig herausfordernd. Ich nahm an, dass sie von mir und Ethan wusste, obwohl es sie nicht wirklich zu beeindrucken schien. Sie wollte ihn haben, und sie würde sich von mir nicht aufhalten lassen.
Ich seufzte.
»Das war aber ein ziemlich trauriger Seufzer«, bemerkte Juliet.
»Ich hasse, hasse, hasse Probleme«, erwiderte ich. »Und ich wette zwanzig Dollar mit dir, dass sie tonnenweise Probleme mitbringt.«
»Nicht in diesen Jeans«, meinte Lindsey. »In diesem zweihundert Dollar teuren Ding kriegt sie außer sich selbst nichts mehr unter.«
Ich rammte ihr meinen Ellbogen in die Seite, was mich sofort besser fühlen ließ.
Ethan bedeutete mir, zu ihm zu kommen.
»Mach sie fertig«, flüsterte Lindsey.
Ich schnaubte zustimmend und ging hinüber. Als ich bei ihnen war, legte Ethan seine Hand auf meinen Rücken. »Lacey, du kennst Merit.«
»Die Hüterin«, sagte sie. »Natürlich. Schön, dich wiederzusehen, Merit.«
Ethan hatte die Angewohnheit, mich »Hüterin« zu nennen, wenn er »im Dienst« war. Anscheinend hatte Lacey diese Angewohnheit übernommen. Das ergab Sinn, da sie mich eher als Angestellte denn als Kollegin ansah. Aber ich konnte mich durchaus vernünftig verhalten.
»Ganz meinerseits«, erwiderte ich. »Vielen Dank, dass du den langen Weg auf dich genommen hast, um Ethan zu unterstützen.« Ich hatte auf ihre Aussage höflich reagiert, zugleich aber auf subtile Weise darauf hingewiesen, welche Position ich in diesem Haus einnahm: Ich gehörte an Ethans Seite.
Ethan lächelte und sah Lacey an. »Möchtest du dich vielleicht ein wenig ausruhen? Ich weiß, dass es eine lange Reise war.«
»Ein paar Minuten wären nett. Vielleicht könnte ich meine Sachen nach oben bringen, mich kurz einrichten und dich dann in deinem Büro aufsuchen?«
»Gerne«, sagte er.
Helen tauchte an Ethans Seite auf, nahm einen von Laceys Koffern und wies in Richtung der Treppe.
»Sie sind in der Gästesuite untergebracht«, sagte sie.
Helen begleitete Lacey die Treppe hinauf, und die restlichen Vampire - abgesehen von den Wachen - gingen auseinander.
»Könnten wir kurz mit dir sprechen, Ethan?«, fragte Luc.
»In meinem Büro«, entgegnete er, und wir drängten uns hinein, als ob es ein ganz normaler Abend wäre ... und die Meisterin eines Vampirhauses, das sich Tausende Kilometer von uns entfernt befand, nicht gerade unser Haus betreten hätte und dieselben Klamotten trüge wie ich.
Es
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