Fuer eine Handvoll Bisse
aufeinanderprallenden Knochen war im gesamten Raum zu hören.
Wir alle zuckten mitfühlend zusammen. Das konnte beiden nicht gutgetan haben.
Sie machten einfach weiter, ohne dass einer die Oberhand gewann. Es schien fast so, als ob sie ihr gesamtes Repertoire an Möglichkeiten zum Einsatz brachten: Stöße, Schläge, Tritte und Sprünge.
Michael war gut. Er hatte eine saubere Haltung und traf blitzschnell Entscheidungen, aber seine Gegenangriffe waren nicht so kreativ wie Ethans. Vielleicht erwies sich Ethans jahrhundertelange Übung tatsächlich als Vorteil, und insbesondere das »Verhältnis« der Vampire zur Schwerkraft, das uns in der Luft schweben zu lassen schien.
Doch was Michael an Kreativität fehlte, machte er mit reiner Kraft wett. Er war muskulöser als Ethan, schlank, aber mit breiteren Schultern im Vergleich zu Ethans geschmeidiger Gestalt. Und das zeigte er auch.
Sie trennten sich und legten eine kurze Pause ein. Beide atmeten schwer, sahen einander an und bewerteten offensichtlich die Fähigkeiten des anderen neu.
Einige Augenblicke später durchbrach Michael die Stille. »Wenn du besser werden willst, dann musst du bereit sein, mit allen Tricks zu arbeiten.«
»Das hat sie mir auch gesagt«, flüsterte Luc mir zu, während Lindsey laut hustete, um ihr Prusten zu übertönen.
»Mit Tricks?«, fragte Ethan. Mit aristokratisch erhobener Augenbraue, die Hände in die Seiten gestemmt, erwiderte er Michaels prüfenden Blick.
»Mit allen Tricks«, wiederholte Michael. »Du kämpfst wie ein Ehrenmann. Offen und ehrlich. Im Sparringsraum ist das ja schön und gut, aber im wahren Leben ist es mehr als wahrscheinlich, dass sie sich einen Dreck darum kümmern, ob du vampirische Anstandsregeln befolgst. Sie werden hinterher nicht einen Blick in den
Kanon
werfen. Du musst bereit sein, es ihnen mit gleicher Münze heimzuzahlen. Ansonsten läufst du Gefahr, den Kampf zu verlieren. Du könntest verletzt werden oder gar getötet, wenn du die Gelegenheit nicht nutzt, deinen Feind unschädlich zu machen. Und diese Last müsste dann jemand anders übernehmen.«
Einen Augenblick lang herrschte absolute Stille, denn wir alle warteten auf die Antwort auf diesen Ratschlag. Ethan wurde nicht häufig zurechtgewiesen, vor allem nicht, wenn es um seine Fähigkeiten als Krieger ging. Trotzdem streckte er Michael die Hand entgegen.
»Ich weiß deine Offenheit zu schätzen. Wir trainieren so oft die traditionellen Methoden, dass wir dabei vergessen, was wir eigentlich trainieren sollten - uns selbst und die zu schützen, die wir lieben.«
»Richtig«, sagte Michael und nickte, während sie sich die Hand gaben.
Sie gingen gerade auseinander, als Malik den Raum betrat und sofort zu Ethan ging, ohne auf eine Aufforderung zu warten.
»Du lieber Himmel«, murmelte Lindsey. »Und ich hatte mich gerade so schön amüsiert. Was kommt wohl als Nächstes? Roboter? Monster? Steht McKetrick mit einer brennenden Fackel vor dem Haus, um es in Brand zu stecken?«
»Wahrscheinlich ist es noch schlimmer«, erwiderte Luc, sah auf sein Handy-Display und dann zu mir. »Kelley hat mir gerade eine SMS geschickt. Lacey Sheridan ist gleich da.«
Die Vampire in unserer Nähe verstummten und richteten ihre Blicke auf mich. Es schien fast so, als ob sie auf meine Reaktion warteten, und ihre unausgesprochenen Fragen standen ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben:
Wird sie ausrasten? Rumbrüllen und rumheulen? Schmollen und wütend aus dem Raum stürmen?
Meine Wangen glühten vor Scham, denn meine Mitbewohner im Haus schienen allgemein davon auszugehen, ich wäre ein verunsichertes Nervenbündel. »Ich wusste schon, dass sie kommt.«
»Ich danke dem Allmächtigen«, seufzte Luc und war offensichtlich sehr erleichtert. »Das Drama hätte ich jetzt nicht durchgestanden.«
Ich starrte ihn vorwurfsvoll an. »So schlimm bin ich nicht.«
»Doch, bist du«, entgegneten die meisten Vampire in meiner unmittelbaren Nähe.
Ich schaffte es gerade noch, mir eine obszöne Geste zu verkneifen, und stand auf, als Luc sich erhob. »Dann lasst uns mal raufgehen und nett sein.« Er zeigte mit dem Finger auf mich. »Und Gäste werden nicht gepfählt.«
Zu Lucs großem Pech wollte ich jemand ganz anderen pfählen.
Wir gingen ins Erdgeschoss und warteten dort, während Lacey die letzten Meter zurücklegte und Ethan sich wieder in Schale warf. Die Führungskräfte des Hauses trieben sich in der Eingangshalle herum, nur Michael war nirgends zu sehen. Ethan
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