Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
Mann lag inzwischen bereits seit vielen Jahren draußen auf dem kalten Friedhof. Außerdem, erinnerte sich Bet, war jener Frederick, an den sie sich so liebevoll erinnerte, lange vor seinem Tod nicht mehr er selbst gewesen.
Sämtliche Nachrufe hatten Celias Herkunft aus dem konservativen Bürgertum der gehobenen Mittelklasse betont, das, wie diese durch die Blume zu verstehen gaben, nicht gerade der Nährboden für Eigenschaften sei, die als »leidenschaftlich und wahrhaftig« bezeichnet werden konnten. All das war Robert zunehmend bitter aufgestoßen. Was war so falsch an »konservativ« und »Bürgertum der gehobenen Mittelklasse«? Es kam ihm so vor, als würde seine Familie gerade für das verhöhnt, was ihre Stärken waren. Aus diesem Grund hatte er sich – ganz gegen seinen Charakter – in letzter Minute entschlossen, dem so eifrig eingeübten Redemanuskript in seiner Jacketttasche einen völlig anderen Auftakt zu geben. Er hatte die Fotografen vor dem Kirchenportal gesehen und daraus geschlossen, dass im Kircheninneren Journalisten mit gezückten Notizblöcken saßen. Aasgeier, Leichenfledderer , dachte er, obwohl all seine Kontakte mit der Presse bisher ausgesprochen angenehm verlaufen waren. Trotzdem wollte er sich einen Spaß daraus machen, Verwirrung zu stiften.
Irgendwo hatte er gelesen, dass man sich der Aufmerksamkeit des Publikums versichern könne, indem man gleich zu Beginn eine bedeutungsvolle Pause einlege. Robert wartete daher so lange, wie er es wagte – also etliche Sekunden, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen –, und ließ den Blick über das Meer der zunehmend verwirrt wirkenden Trauergäste im Kirchenschiff schweifen. Da saßen nebeneinander Priscilla und Bet, die beiden ältesten Freundinnen seiner Mutter; der Familienanwalt, Rodney Cartwright, der neue, junge Hausarzt, der diesen Job von seinem Vater übernommen hatte. Aber wer waren all die anderen? Er hatte keine Ahnung gehabt, dass seine Mutter einen so großen Bekanntenkreis besaß. Hin und wieder glaubte er, ein prominentes Gesicht zu erkennen. War das in der vierten Reihe nicht ein Schauspieler? Er wagte es nicht, seine Frau Mel anzusehen, die von seinem geplanten Paukenschlag nichts ahnte. Vielleicht fand auch sie ihn, ihrer Liebe zum Trotz, allmählich langweilig.
Er holte tief Luft. Dann brüllte er, so laut er konnte: » TU, WAS DEIN VATER SAGT – AUGENBLICKLICH !«
Die Wirkung auf die Trauergemeinde ließ nichts zu wünschen übrig. Er machte erneut eine Pause, bevor er so leise und sanft fortfuhr, dass die etwas schwerhörigeren Anwesenden, denen der Schreck noch in den Gliedern saß, sich vorbeugten, um ihn besser verstehen zu können. »Mummy war die sanftmütigste Person der Welt, aber was Daddy sagte, war Gesetz. Oh, ja!« Robert kostete das leise, verständnisvolle Lachen aus, das durch die Reihen im Kirchenschiff ging. »Wie Sie alle wissen, waren die beiden ein außerordentlich glückliches Paar.«
Zufrieden, seinen Standpunkt deutlich gemacht zu haben, setzte er seine Brille auf und begann die Rede zu verlesen, die alle von ihm erwartet hatten – über ein bemerkenswertes, traditionellen Werten verbundenes Leben und großartiges Beispiel einer selbstlosen Liebe, das nun zu Ende gegangen sei … und so weiter.
»Prächtige Ansprache«, sagte Priscilla zu Margaret später nach der Rückkehr nach Parr’s. »Unser lieber, lieber Robert!« Sie seufzte. »Celia hat in ihrem Leben nie derart die Stimme erhoben. Sollte wohl … poe-tüsch wirken oder so …«
Margaret empfand Priscillas arrogante Redeweise als seltsam unzeitgemäß. Die Art, wie sie Silben träge in die Länge zog, andere wiederum verschluckte, klang wie eine Parodie auf das alte BBC -Englisch. Sie merkte, wie ihr Neffe Spud mit ungläubigem Lächeln zuhörte, sah, wie er mit den Lippen das Wort »poe-tüsch« formte, als verkoste er eine exotische Delikatesse.
»Und weißt du was, Schätzchen?«, fuhr Priscilla strahlend fort. »Als du die Kirche betreten hast, habe ich so bei mir gedacht ›Himmel, was macht unsere Celia denn hier?‹«
»Celia war da!«, schnarrte Bet ungehalten, und Margaret beobachtete, wie Priscilla abwehrend eine gichtige Hand mit Altersflecken hob, als habe sie nur zu gut verstanden, was den Zornausbruch provoziert hatte.
»Sehe ich wirklich wie meine Mutter aus?« Margaret fand den Vergleich zweifelhaft und tröstlich zugleich. Es machte ihr Spaß, sich mit den beiden über achtzigjährigen Frauen zu unterhalten, die
Weitere Kostenlose Bücher