Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
Relations Agentin aufgebaut hatte.
In Bezug auf Guy allerdings hatte er sich gründlich getäuscht. Guy war auf seine ruhige Art ein Rebell, was Bud stets an ihm geschätzt hatte. Und mittlerweile erfand er sich neu, als habe er die Familie bisher nur gründlich studiert, um sich jetzt so deutlich wie möglich von ihr abzusetzen. Guy trug exzellent geschnittene, teure Anzüge und lebte in einer komplett modern möblierten Penthousewohnung zur Miete. Kam ihm eine interessante oder lustige Geschichte zu Ohren, dann erzählte er diese nur ein einziges Mal weiter, aus Angst, sich zu wiederholen. Am Abend, als sie zur Beerdigung eingetroffen waren, war er zu einem indischen Service in die nächstgelegene Stadt Guildford gefahren und hatte für alle zwölf Familienmitglieder Essen besorgt. Alle hatten das für sträfliche Geldverschwendung gehalten, da bereits massenweise Lebensmittel im Haus waren. Sein Vater Robert hatte es auch noch beim Essen mehrfach wiederholt (und dabei sein Tikka Masala bis zum letzten Reiskorn genossen).
Guy hatte Bud gerade anvertraut, dass ihn, im Gegensatz zum Rest der Trauergemeinde, der Ausbruch seines Vaters in der Kirche erschreckt hatte. Seiner Ansicht nach war es ein deutliches Alarmzeichen gewesen.
»Frage mich nur, was mit dem Haus passiert«, bemerkte Theo.
»Ist mir egal, da Gran nicht mehr dort wohnt«, fuhr Bud ihn an.
»Ich fürchte, davon kann keine Rede sein, Bud«, entgegnete Theo in seiner aufreizend haarspalterischen Art. Bud hielt es für einen plumpen Flirtversuch. Sie ertappte ihn oft dabei, wie er sie beobachtete, so als sei er von ihrer Intelligenz wie hypnotisiert.
»Die Erbschaftssteuer verschlingt sowieso das meiste«, erklärte Guy uninteressiert. Für ihn sei das ganze Erbprinzip sowieso überkommen, hatte er Bud auf der Fahrt nach Parr’s auseinandergesetzt. Mit einem hochdotierten Job im Bankgewerbe und ausreichend finanziellen Mitteln sagte sich das allerdings leicht. Er hatte Bud in seinem neuen Golf von London aus mitgenommen und diesen neben dem staubigen alten Volvo ihres Vaters geparkt, was wie eine Demonstration ihrer unterschiedlichen Weltanschauungen gewertet werden konnte.
»Noch vor ein paar Monaten wäre das Haus natürlich noch sehr viel mehr wert gewesen«, behauptete Theo gelangweilt, aber selbstsicher. Er war nur das Sprachrohr seines Vaters, der stets hinzufügte, dass Rechnungen für Ärzte und Pflegepersonal sämtliche Ersparnisse längst aufgezehrt haben mussten.
»Was genau willst du damit sagen, Theo?«, erkundigte sich Bud in absichtlich drohendem Ton.
Theo verstummte augenblicklich erschrocken. Sie wusste sehr wohl, dass er keineswegs andeuten wollte, es wäre besser gewesen, Großmutter wäre vor dem Immobilien-Crash gestorben. Dennoch ließ sie ihn zappeln. Sie wollte ihn loswerden und mit ihrem Lieblingscousin unter vier Augen reden.
Sie warf ihre Zigarette zu Boden. »Kommst du?«, fragte sie Guy bedeutungsvoll und beobachtete mit untypischer Herzlosigkeit, wie Theo sich abwandte, zum Haus zurückschlich und dabei einen Büschel Wiesenkerbel ausriss.
»Tut mir leid«, murmelte sie zu spät. »Aber was denkt er sich eigentlich?«
Sie und Guy gingen nebeneinander her. Vor ihnen lag ein Weg mit einem Mittelstreifen aus struppigem Gras, der zwischen schwarzen, kahlen Bäumen entlangführte. Sie schwiegen eine Weile, bis Bud mit bewusst tonloser Stimme und sachlich erklärte: »Sie hatte versprochen, mir ein Zeichen zu geben, aber nichts da. Ich warte noch immer, Guy.«
Er war der Einzige in der Familie, mit dem sie auf diese Weise reden konnte. Die beiden waren als Kinder oft zusammen bei der Großmutter gewesen, hatten ihre seltsame Verbundenheit mit den Toten intensiv erlebt. Sie seien überall, hatte Celia stets behauptet. Und sie habe keine Angst vor ihnen. Ganz im Gegenteil – ihr sei ihre Gesellschaft willkommen. »Angenommen, dein Haus brennt ab«, hatte Guy einmal gefragt. »Verschwinden die Geister dann?« Die Großmutter hatte eine Grimasse gezogen (aber nur, weil sie eine Woche zuvor geistesabwesend ein Paket Hundekekse auf einer heißen Herdplatte vergessen hatte, was beinahe zu einer Katastrophe geführt hätte). Dann hatte sie energisch erwidert, das sei ausgeschlossen, und einen Schriftsteller namens William Faulkner zitiert: »Die Vergangenheit stirbt nie. Sie ist nicht mal vergangen.« Danach hatte sie – offenbar widersprüchlich – hinzugefügt: »Zum Glück schreibe ich Bücher, sonst würde ich mich an
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