Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
Roberts schwangere Tochter Miranda war zu Bett gegangen. »Traurig!«, hatte sie wiederholt vor sich hin gemurmelt, da Celia ihr erstes Urenkelkind nicht mehr kennenlernen würde. Die Teenager, Margarets Kinder Theo und Evie, hatten sich zusammen mit Sarahs Sohn Spud oben in eines der Schlafzimmer zurückgezogen. Spud zog die Gesellschaft der beiden Jugendlichen vor, obwohl er inzwischen fast dreißig Jahre alt war. Von dort oben ertönte ein lautes Krachen, so als sei ein Möbelstück umgefallen. Was Celias alter Hund Oscar mit lautem Bellen und Jaulen kommentierte. Der Hund war aufgeregt und leicht verschreckt angesichts der vielen Leute und suchte noch immer nach seinem Frauchen.
»Ein Glück, dass sie bis zum Ende in ihrem eigenen Haus bleiben konnte«, sagte Sarah spontan.
Margaret nickte. »Und sie hatte noch alle fünf Sinne beisammen.«
»Sie war fit wie ein Turnschuh.«
»Sie hatte wirklich sehr, sehr viel Glück!«
»Und wir auch.«
Sarah begann zu schluchzen. »Sie fehlt mir jetzt schon!«, sagte sie wie ein verängstigtes Kind. Margaret schüttelte den Kopf, brachte kein Wort heraus.
»Sie lebt in uns weiter«, stammelte Sarah mühsam. »Und in unseren Kindern. Und auch in unseren Enkelkindern … falls es dann noch eine lebenswerte Welt für sie gibt.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Sie lebt auch in Mirandas Baby weiter. Alles das macht plötzlich Sinn. Es ist die ›wahre‹ Unsterblichkeit.«
»Glaubst du?«
»Ja, viel eher als durch Bücher.«
Tatsache jedoch war, dass außerhalb eines kleinen Personenkreises der Tod von Celias Kindern in der Zukunft unbemerkt bleiben würde. Jetzt schon waren sie in der Biografie der Mutter nur einen Einzeiler wert: Celia Bayley hinterlässt einen Sohn und zwei Töchter.
Dennoch hatte auch deren Leben eine geradezu dramatische Wendung genommen. Täglich traf stapelweise Post von Fremden ein. Ständig klingelte das Telefon. Sie wurden mit Fragen und Bitten bedrängt. Journalisten tauchten unangemeldet vor der Haustür auf, Kamerateams im Schlepptau. Erst am Vortag hatte Robert einem örtlichen TV -Sender ein Interview gegeben. Und niemand, der sein selbstsicheres Auftreten erlebt hatte, ahnte, dass er nie eine einzige Zeile von seiner Mutter gelesen hatte. Dennoch beunruhigte es die Familie, dass Außenstehende derart kenntnisreich über die Mutter sprachen. Was konnten die schon wissen, das die Familie nicht wusste?
Die Küchentür ging auf, und Margarets Mann Charles trat ein. »Oha, Kuchen«, bemerkte er. Er wollte witzig sein und klang doch nur vorwurfsvoll.
»Ich habe nur ein kleines Stück gegessen«, erklärte Margaret unwillkürlich trotzig.
Sarah verschränkte die Arme vor der Brust und musterte den Neuankömmling aufmerksam. »Wo ist Whoopee?«, erkundigte sie sich. In ihrer Familie hatte jeder einen Spitznamen. Sie selbst wurde Crinkle genannt. Allerdings herrschte unter den Geschwistern ein stummes, penibel beachtetes Einverständnis, nicht nach dem Grund für diese Spitznamen zu fragen. Whoopee und Crinkle waren die Eltern von Spud und Bud. Robert hatte einmal behauptet, es sei idiotisch, mühevoll hübsche Namen wie Stephen und Emily auszusuchen und sogar kostspielige Tauffeste zu feiern, wenn man wusste, dass die Kinder immer nur Spud und Bud genannt werden würden. Außerdem würde es nur unnötig Aufmerksamkeit erregen, hatte er hinzugefügt und sich damit erst recht als begriffsstutzig geoutet.
»Ich habe deinen Mann gerade im Wintergarten verlassen«, erwiderte Charles. Er wirkte gereizt und leicht verschnupft.
Sarah vermutete, dass Whoopee wieder einmal seinen Schabernack mit Charles getrieben hatte. Normalerweise ging Charles seinem Schwager aus dem Weg. Aber Sarah und Margaret hatten deutlich gemacht, allein sein zu wollen, Robert war im Arbeitszimmer mit seiner Rede beschäftigt, und das Wohnzimmer war tabu, denn sie hatten es für den Empfang nach dem Begräbnis geputzt und aufgeräumt. Sarah musste unwillkürlich lächeln, als sie sich die Szene im eiskalten Wintergarten vorstellte: Charles in seinem Dreiteiler und angespannt, während ihr gut aussehender, leger gekleideter Mann mit argloser Neugier versuchte, Charles zu Statements über Einwanderung und die Kriege in Afghanistan und Irak zu verleiten. Sollte das nicht die erwarteten Antworten erbracht haben, hatte er vermutlich das leidige Thema teurer Privatschulen für reiche Kinder angeschnitten. Böser Whoopee, dachte sie. Er verstand es, die richtigen Knöpfe zu
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