Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
»Dann gnade Gott der Menschheit.« Und sie versprach, am Tag darauf zwei Kerzen für sie in ihrer Kirche anzuzünden.
Bud legte schließlich auf und strich mit den Fingern über das Bild. Sie musste entscheiden, wo sie es aufhängen wollte. Dann griff sie nach dem Foto und legte es in ein Buch, in das die Großmutter die Widmung geschrieben hatte: »Meiner lieben Bud in Liebe und Dankbarkeit!« Sie würde es nie mehr für skurril oder abstoßend halten. Von jetzt an gehörte es in dieses Buch, wo es keine neugierige Journalistin finden konnte, die ihre Nase in Celias Leben steckte. Morgen wollte sie der Familie berichten, was sie herausgefunden hatte. Sie würden es sowieso erfahren, denn Ada hatte um Roberts Telefonnummer gebeten, um ihm zu seiner Enkelin zu gratulieren. Ob er es wollte oder nicht, die gefühlsbetonte Ada würde als Zeugin dieser dramatischen Liebesgeschichte wie eine Bombe in sein Leben einschlagen.
Bud hatte so vieles erfahren. Ihr war jetzt klar, dass ihr Großvater über Alexej Bescheid gewusst hatte. Als er nach der Beichte der Großmutter einen Gehirnschlag erlitt, hatte sie sich allein die Schuld gegeben – Grund für die aufopfernde Hingabe, mit der sie ihn all die Jahre gepflegt hatte.
Dennoch hatte die Affäre weiter angedauert. Nur hatte inzwischen auch Alexej, wenn auch aus ganz anderen Gründen, jede Hoffnung auf die ersehnte Freiheit verloren. Trotzdem blieben sie in Verbindung, schrieben sich verschlüsselte Briefe. Ada wusste von Celia, dass Alexejs Briefe die einzigen Dokumente aus ihrer Vergangenheit waren, die sie vernichtet hatte. Sie hatte verhindern wollen, dass sie nach ihrem Tod, wenn sie nichts mehr erklären konnte, gefunden wurden. Allerdings habe Celia sowieso jedes Wort daraus auswendig gekannt, fügte Ada hinzu.
Bud ahnte, dass die Großmutter ihre Liebe zu Alexej in ihren Romanen immer wieder verarbeitet und damit lebendig gehalten hatte. Das Foto zu vernichten war ihr offenbar unmöglich gewesen. Davon abgesehen hatte sie es erst nach Fredericks Tod erhalten.
Celia und Alexej waren sich in aufregenden Zeiten begegnet. Und wie Bet immer behauptete, waren gerade sie der Nährboden für die Liebe. Was wäre geschehen, versuchte Bud sich vorzustellen, wenn sich Celia und Alexej unter weniger schwierigen Umständen wiedergesehen hätten? Hätte es eine Rolle gespielt, dass sie mittlerweile alt geworden waren? Hätte der mittellose Schriftsteller dann wirklich noch etwas gemeinsam gehabt mit der wohlhabenden, als Schriftstellerin erfolgreichen Generalswitwe? Vielleicht war die Illusion der idealen Liebe der einzige Weg für zwei einsame Menschen gewesen, ihre unterschiedlichen Kerker zu ertragen. »Zum Glück gibt es Träume!«, hatte Celia oft gesagt. Träume schlossen die Kluft zwischen Hoffnung und Realität, sagte sich die sehr viel pragmatischere Bud.
Sie trat ans Fenster, drückte ihre heiße Stirn gegen das kühle Glas und sah zum dunklen Nachthimmel auf. Und dann erinnerte sie sich daran, dass ihre Großmutter, nachdem sie sich vom Schock über Alexejs Tod erholt hatte, eine ernsthafte Schriftstellerin geworden war. Wie war das zu erklären? Wer, wenn nicht Alexej, sollte es wohl gewesen sein, der ihr diese neue Stimme eingegeben hatte, mit der sie von da an sprach?
Bud wollte gern, wie einst die Großmutter, an Magie und Wunder glauben. Celia hatte sogar behauptet, dies sei im modernen Zeitalter einfacher als früher. »Denk nur ans Internet!«, hatte sie gesagt. »Denk an Radiowellen!« Wenn eine Stimme durch den Weltraum reisen könne, warum sollte sie dann nicht auch über die Vergänglichkeit triumphieren? Bald, so hatte sie vorhergesagt, würde man bestimmt auch die Stimmen der Toten aus dem Äther herausfiltern können. Vermutlich hat sie recht, dachte Bud. Und je mehr sie über das ungewöhnliche Telefongespräch und über den seltsamen Zufall nachdachte, der sie veranlasst hatte, diese fremde Nummer zu wählen, desto überzeugter war sie, dass Alexej für sich gesprochen hatte.
In diesem Moment erschienen zwei leuchtende Punkte nebeneinander hoch oben am Himmel. Wenn Ada jetzt hier wäre, überlegte Bud unwillkürlich, hätte sie das sicher als Zeichen gedeutet. In Wirklichkeit waren es wohl nur die Positionslichter eines Flugzeugs mit unbekanntem Ziel. Dennoch dachte Bud daran, wie einfach es jetzt wäre, Ada in ihrer Heimat zu besuchen. Allein der Gedanke, die Freiheit zu haben, dieses Abenteuer zu wagen, war Hoffnung genug und sprengte alle
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