Für immer und eh nicht (German Edition)
würde nun also ein Fremder einziehen. Ich hatte mich auf die Ruhe und die Abgeschiedenheit gefreut und musste sie jetzt mit einem Unbekannten teilen.
Aber ich wollte nicht undankbar erscheinen. Hanna konnte das Geld sicherlich gut gebrauchen, und ich würde mich von meinem neuen Nachbarn einfach nicht stören lassen. Also lächelte ich meiner Freundin aufmunternd zu. »Viel Glück beim Suchen!«
»Danke! Und pass ein bisschen auf deine Sachen auf. Hier sind Taschendiebe unterwegs.« Mit diesen Worten verschwand Hanna wieder in Richtung der großen Schiebetür.
Ich nahm die Speisekarte, studierte das Angebot und bestellte ein Käse-Sandwich und zwei Tassen Tee. Dann holte ich einen kleinen Taschenspiegel aus dem Rucksack und betrachtete prüfend mein Gesicht. Für jemanden, der in der Nacht nur knapp zwei Stunden geschlafen hatte, sah ich ganz passabel aus. Meine Augen glänzten so grün und lebhaft wie immer. Ich fuhr mir mit den Händen durch die braunen Locken und nickte zufrieden.
Plötzlich hörte ich hinter mir ein lautes Räuspern. Vor Schreck fuhr ich zusammen und ließ fast den Spiegel fallen. Ich konnte ihn gerade noch halten und umklammerte ihn mit beiden Händen. Ungläubig starrte ich auf das Spiegelbild, das in diesem Moment eingefangen wurde: Es zeigte das fein geschnittene Gesicht eines Mannes mit dunklen Haaren und hellblauen Augen, die mich neugierig beobachteten. Seine sanft geschwungenen Lippen verzogen sich zu einem hinreißenden Lächeln. Langsam ließ ich den Spiegel sinken und drehte mich um.
Er stand dicht an meinem Stuhl. »Guten Tag!« Seine Stimme hatte einen angenehm tiefen Klang.
»Was? Äh … ja … hallo!«, stammelte ich und betrachtete ihn von oben bis unten. Er trug Jeans, Turnschuhe und ein helles Sweatshirt, das seine braungebrannte Haut betonte. In der einen Hand hielt er eine große Reisetasche aus schwarzem Leder, die er jetzt zu meinen Koffern auf den Gepäckwagen stellte. In der anderen Hand hatte er eine zusammengebundene Rolle mit Zeitschriften, die er ebenfalls auf meinen Koffern ablegte.
»Was tun Sie da?«, fragte ich. Mir fiel Hannas Warnung vor Taschendieben ein. Ob ich tatsächlich gleich zu Beginn meiner Ferien überfallen wurde? Doch seit wann brachten Diebe ihr eigenes Gepäck mit? Und überhaupt: Der Mann hinter meinem Stuhl sah nicht wie ein Krimineller aus. Dazu war seine Kleidung zu gepflegt und sein freundlicher Blick zu offen.
»Was ich mache? Ich stelle meine Tasche ab.«
Ich wusste immer noch nicht, wie ich reagieren sollte, und blickte mich hilfesuchend um. Wo blieb Hanna? Aber statt meiner Freundin kam jetzt die Kellnerin an unseren Tisch und brachte den Tee und das Sandwich.
Der Mann trat einen Schritt vor und setzte sich zu mir. »Haben Sie geahnt, dass ich kommen werde?«, fragte er verblüfft und deutete auf die zweite Tasse, die eigentlich für Hanna bestimmt war.
»Wie bitte?« Ich verstand kein Wort.
Er runzelte nachdenklich die Stirn und schüttelte dann den Kopf. »Ach, schon gut. Das können wir später noch besprechen.«
»Später?«, wiederholte ich alarmiert. Wie lange wollte er denn bleiben?
Er grinste fröhlich. »Wir werden noch genügend Zeit miteinander verbringen.«
»Ach, wirklich?«
»Ja, ich denke schon.«
»Hören Sie mal …«, begann ich, als er Hannas Tee zu sich heranzog und Zucker in die Tasse schüttete. »Es sind noch viele andere Tische frei.«
»Ich weiß. Hier gefällt es mir aber am besten.« Wieder lächelte er, und auf seinen Wangen erschienen kleine Grübchen.
»Warum?«
»Erstens sind Sie eine bezaubernde junge Dame.«
»Was Sie nicht sagen!« Er hatte wohl noch nicht viele andere Frauen kennengelernt.
Der Mann überging meine Bemerkung. »Und zweitens sprechen Sie Deutsch, genau wie ich. Das erleichtert die Konversation.«
»Ich möchte mich eigentlich gar nicht unterhalten.« Er war mir immer noch unheimlich. Wie gut, dass um uns herum so viele Menschen standen!
»Wie Sie wollen.« Er wirkte kein bisschen beleidigt.
Ich beschloss, ihn vorerst zu ignorieren und biss in das Sandwich. Dann vertrieb ich mir die Zeit, indem ich die Preise auf der Speisekarte auswendig lernte. Allerdings wanderte mein Blick immer wieder nervös zu meinem Nachbarn. Im Gegensatz zu mir wirkte er vollkommen ruhig und entspannt. Er trank seinen Tee in kleinen Schlucken und hielt die Tasse in beiden Händen, während er interessiert die Menschen in der Halle beobachtete. Für jemanden, der vermutlich gerade einen
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