Perlentöchter
1
Schritte. Schwer. Langsam. Gründlich. Genau wie er. Schritte, die den Gang durchqueren und das Dienstmädchen daran hindern, vor ihm anzukommen. Die Tür, die sich öffnet.
Mach die Augen zu, sagt die leise Stimme in Louisas Kopf, während sie ihr Skizzenbuch unter das Kopfkissen schiebt. Tu so, als würdest du schlafen.
Ist es das, was von einer Braut am Morgen danach erwartet wird?
Sie kann jetzt hören, wie er Luft holt. Den Tabak in seinem Atem riechen, als er sich neben ihr auf das Bett kniet, während der Frühlingsregen sanft von außen das Fenster tätschelt. Er bittet jemanden, es zu öffnen, damit sie den Duft der Narzissen draußen einatmen kann statt diesen muffigen Geruch, der in ihrer Nase kitzelt, sodass sie am liebsten niesen möchte, was jedoch überhaupt nichts nutzen würde.
»Ich weiß, dass du wach bist.« Seine tiefe Stimme klingt leicht belustigt, als wäre sie ein Kind und noch im Haus ihres Vaters. Wenn es doch nur so wäre. »Ich wollte dir das hier geben.«
Louisa weiß, worum es sich handelt. Man hat ihr bereits davon erzählt. Jede Frischvermählte erhält es, und nach ihrem Tod geht es an die nächste über. Aber Louisa hat es noch nie gesehen. Bestimmt hatte es seit dem Ableben ihrer Schwiegermutter vor all den Jahren in einer verstaubten Schmuckkassette versteckt gelegen.
Louisa dreht sich um, teils aus Neugier und teils, weil es keinen Sinn mehr macht, sich schlafend zu stellen.
Sein Gesicht taucht vor ihr auf. Ein schönes Gesicht. Klein, mit ordentlichem Schnurrbart, der Mode der Zeit entsprechend. Dunkles Haar. Braune Augen, die ihren Blick festhalten, mit einer Spur von dunklem Moosgrün, wie die schweren Brokatvorhänge hinter ihm, die nur halb zugezogen sind. Eine stattliche Körpergröße, die in seiner knienden Haltung nur geringfügig verringert ist, während er über ihr thront und das Licht verdeckt, das an diesem Frühlingsmorgen durch die leicht geöffneten Fensterläden strömt. Diese höfliche, ehrfürchtige und doch vornehm ärztliche Art, die seine Patienten in den Bann schlägt, unabhängig vom Alter. Am liebsten würde sie kichern, oder liegt es bloß daran, dass sie das hat, was Papa ein »Nervenleiden« nennt, genau wie ihre Mama?
»Es ist wunderschön.« Ihre Stimme klingt seltsam, als wäre auch sie, wie ihr restlicher Körper, vor ein paar Stunden gespalten worden. Unfähig zu widerstehen, nimmt Louisa zuerst eine Reihe in die Hand und dann die andere. Die erste mit dem hübschen Diamantverschluss gefällt ihr besonders, aber auch die zweite ist hinreißend. Wie ein Wasserfall aus Perlen, jede voneinander getrennt durch einen Seidenknoten in einem zarten Netz. Ein Spinnennetz.
»Es gefällt dir.« Der angenehm überraschte Ausdruck in seinem Gesicht erinnert sie an ihren Vater, wenn sie schließlich nachgab und seinen Wünschen gehorchte. »Stur« nannte Papa sie gelegentlich. Unfähig, eine gute Partie vor ihrer Nase zu erkennen, obwohl sie fast zwanzig ist. Entschlossen, ihren eigenen Weg im Leben zu gehen, ungeachtet der Folgen für sie selbst und andere. Und vielleicht hatte er bis gestern in der Kirche recht.
»Lass mich.« Die tiefe, autoritäre Stimme kommt ihren Händen zuvor. Widerstrebend erlaubt sie ihrem neuen Gemahl, dass er ihr die Perlen um den Hals legt, ihren Schwanenhals, wie ihre Mutter früher immer sagte, als sie noch sprechen konnte. Lang. Elegant. Cremeweiß, wie das bestickte Nachthemd darunter.
Während sie sich gegen die Berührung seiner warmen Haut wappnet, versteift sie sich, und plötzlich stockt ihr kurz der Atem, als sie unvermittelt die Kühle der Perlen spürt. Zitternd versucht sie auszuweichen, aber es ist zu spät. Man hört ein Klicken, gefolgt von einem weiteren, mit dem die zweite Reihe geschlossen wird. Sie ist gebunden.
»Was denkst du?« Er hält ihr nun den Handspiegel vor, einen silbern gerahmten Spiegel mit schräg geschliffenen Kanten, der gewöhnlich neben einer Reihe von Kristallflakons und der kleinen cranberryroten Vase auf ihrer Frisierkommode liegt. »Es steht dir«, fügt er mit einem winzigen Zittern in der Stimme hinzu.
Er möchte also, dass es ihr gefällt! Diese Erkenntnis verschafft ihr plötzlich ein Gefühl der Stärke. Wieder stur. Wie damals, als ihr Vater eines Tages aus der Galerie heimkam und berichtete, dass ein Gentleman stundenlang ihr Porträt betrachtet und schließlich um die Erlaubnis gebeten habe, der großen, schlanken, selbstsicheren jungen Frau mit dem weißen
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