Fuer immer und einen Tag
also sterben«, sagte Emma sachlich. »Diesmal muss ich sterben.«
»Nein«, rief Meg atemlos. »Natürlich nicht! Wir werden woanders Rat suchen, wenn nötig. Wir finden irgendwo einen klinischen Versuch für dich.«
Dr. Spelling sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an, ehe er sich wieder an Emma wandte. »Es gibt tatsächlich eine Reihe von Kliniken in Ãbersee, die einige Erfolge bei der Behandlung von ähnlichen Fällen hatten, und wir werden uns bemühen, alle Möglichkeiten auszuloten, aber ich will Ihnen keine falschen Hoffnungen machen. Es könnte sein, dass diese Kliniken Sie nicht aufnehmen, und selbst wenn, gibt es keine Garantie. Im Augenblick müssen wir realistisch bleiben und die beste Behandlung ins Auge fassen, die wir Ihnen hier bieten können, aber Sie sollten wissen, dass es um palliative, nicht um kurative MaÃnahmen geht, nicht auf lange Sicht.«
»Dann sterbe ich also«, wiederholte Emma.
Dr. Spellings Schweigen wog mehr als die reflexartigen Beschwichtigungen ihrer Mutter. Angst durchfuhr sie, als ihr klar wurde, dass das Morgen ihr wieder entrissen wurde und damit all ihre Hoffnungen, Träume und närrischen Einfälle. Alles dahin.
Sie hatte genug gehört und versuchte, ihre Ohren vor dem Gespräch zu verschlieÃen, das um sie herum weiterging und nur noch störendes Geräusch war. Ihre Hand wurde schlaff in Dr. Spellings Griff, und er legte sie sacht auf der Bettdecke ab. Sie hätte nicht so viel Zeit verschwenden sollen, schalt sie sich, während die kalte Furcht durch einen langsam schwelenden Zorn ersetzt wurde. Sie hatte auf diese magische Fünf-Jahres-Grenze gewartet, um ihr Leben neu zu beginnen, und was für ein Leben sollte es werden, all ihre Träume würde sie verwirklichen. Sie hatte es mit dem Tod aufgenommen und weià Gott etwas Besseres verdient. Vielleicht in einem anderen Leben, dachte sie und schielte zu ihrem Laptop hin, der sie mit seinem halb geöffneten Deckel wohlwollend anlächelte, wie um ihr zu zeigen, dass ihr immer noch ein Fluchtweg offenstand.
»Wie lange?«, fragte sie kaum hörbar, zwang sich, wieder an der Diskussion teilzunehmen.
»Haben Sie etwas gesagt, Emma?«, unterbrach Peter ihre Mutter mitten in einem Satz.
Emma dankte ihrem Pfleger im Stillen und wandte sich erneut an Dr. Spelling. »Wenn mir keine fünf Jahre mehr bleiben, wie lange dann? Ich habe heute Morgen angefangen, ein Buch zu schreiben. Werde ich genug Zeit haben, es zu beenden?«, fragte sie und lieà ihn dabei nicht aus den Augen. Ihre Frage hatte den Beigeschmack der Verzweiflung, aber sie musste wissen, ob wenigstens dieses Vorhaben verwirklicht werden konnte. Sie würde sich nicht ergeben, noch nicht.
»Emma, du kannst doch jetzt nicht ans Schreiben denken«, warf Meg ein.
Emma ignorierte sie. »Ich brauche vielleicht ein Jahr. Können Sie mir so viel geben?«, fragte sie in einem Ton, der den Arzt herausforderte, ihr ihren letzten Wunsch abzuschlagen.
»Sie wissen, dass ich Ihnen das nicht zusichern kann, aber zwölf bis achtzehn Monate sollten eine realistische Erwartung sein. Es hängt davon ab, wie sich der Tumor entwickelt und wie Sie auf die Behandlung ansprechen, aber wenn ich mir Ihre Willensstärke so ansehe, würde ich sagen, Sie können Ihr Buch beenden, und ich werde verdammt noch mal mein Möglichstes tun, Sie dabei zu unterstützen.«
»Danke«, sagte Emma und drückte kurz seinen Arm. Ihre Mutter lockerte endlich den Schraubzwingengriff um ihre Hand, woraufhin sie heimlich ein paarmal die Finger spreizte. Meg sollte nicht merken, dass sie ihr wehgetan hatte, sie würde schon niedergeschmettert genug sein. »Und wann fangen wir mit der Behandlung an?«
»Ich bin noch dabei, einen Zeitplan auszuarbeiten, aber schätzungsweise in einem Monat.«
»Dann ist doch Weihnachten«, wandte Emma ein. »Wie wärâs, wenn wir den Zeitplan noch mal überdenken und die erste Januarwoche ins Auge fassen?«
Dr. Spelling bat ihre Mutter mit einem Blick um Unterstützung, doch die schwieg untypischerweise und zuckte nur die Achseln. »Das lässt uns ein bisschen mehr Zeit, um andere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen«, meinte sie schlieÃlich.
Dr. Spelling seufzte. »Okay, dann also Anfang Januar«, gab er nach.
»Womit ich noch sechs Wochen Freiheit hätte, also lautet meine nächste
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