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Fuer immer und einen Tag

Fuer immer und einen Tag

Titel: Fuer immer und einen Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Brooke
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Wenigstens ging es ihr gut genug, um überhaupt schreiben zu können, sagte sie sich, während sie eine widerspenstige Locke hinters Ohr strich und dann nach dem Verband an ihrem Hinterkopf tastete, wie um sich daran zu erinnern, dass der Albtraum noch längst nicht vorbei war. Widerstrebend klappte sie ihren Laptop zu und schob ihn beiseite.
    Ihr deutlich verbesserter Zustand war kein Ergebnis dieser Operation, die zu rein diagnostischen Zwecken erfolgt war. Es lag an der neuen Medikation, dass sie wieder klarer denken konnte und die Kopfschmerzen, die sie wochenlang geplagt hatten, fast ganz verschwunden waren. Ihr Sehvermögen war zwar nicht perfekt, aber daran konnte keine Behandlung etwas ändern. Die Schädigung ihres peripheren Sehens stellte so etwas wie eine alte Kriegsverletzung dar. Vor vier Jahren war ein Gehirntumor bei ihr diagnostiziert worden, der sich in den letzten drei Jahren zurückgebildet hatte. Jetzt wartete sie auf das Resultat der Biopsie, das vermutlich bestätigen würde, dass ihre Zukunft wieder in Frage stand.
    Emma sah zu ihrer Mutter hin und zweifelte nicht daran, dass die Furcht, die sich in deren Gesicht gegraben hatte, ihren eigenen Ausdruck widerspiegelte. Es gab noch andere Ähnlichkeiten zwischen ihnen beiden. Sie hatten die gleichen weich gelockten kastanienbraunen Haare, die gleichen großen braunen Augen und hohen Wangenknochen und waren beide hochgewachsen und gertenschlank. Meg war schon öfter für ihre Schwester gehalten worden, und zuweilen reagierten die Leute erstaunt, wenn sie erfuhren, dass sie schon die fünfzig überschritten hatte. Heute aber sah man ihr ihr Alter an.
    Meg saß aufrecht in einem Sessel neben dem Bett und hielt die ordentlich zusammengefaltete Zeitung, in der sie gerade noch gelesen hatte, mit beiden Händen gepackt. Sie wirkte müde in ihrem zerknitterten blauen Baumwollkleid, das sich kaum von dem kalten Blau der Stationswände abhob. Als Emma eine tröstende Hand nach ihrer Mutter ausstreckte, entging es ihr nicht, dass der Hautton ihres Arms, durchscheinend und bläulich, ebenfalls zum Dekor passte.
    Meg legte die Zeitung schnell weg und ergriff ihre Hand. »Bereit?«, fragte sie, während sie der Gruppe von Ärzten entgegensahen, die jetzt auf sie zukam.
    Emma biss sich fest auf die Lippen, um den Schrei zu unterdrücken, der in ihr aufstieg: »Nein! Ich bin nicht bereit, ich werde nie bereit sein. Bitte, lieber Gott, bitte schick sie weg!« Die unausgesprochenen Worte brannten wie Säure in ihrer Kehle, doch sie nickte in stummer Ergebenheit, ohne Dr. Spelling aus den Augen zu lassen, der jetzt an das Fußende ihres Betts trat. Sie hatte eine ganze Reihe von behandelnden Ärzten, und die Laborergebnisse der Biopsie würde der Neurochirurg selbst ausgewertet haben, aber sie vertraute ihrem Neuroonkologen am meisten und hatte daher ihn gebeten, ihr die Nachricht zu überbringen. Dr. Spelling war Ende fünfzig und hatte immer noch volles, dichtes braunes Haar, das inzwischen allerdings mit wesentlich mehr Grau durchzogen war als bei ihrer ersten Begegnung. Damals war er zuversichtlich und die empfohlene Behandlung intensiv gewesen, ein größerer chirurgischer Eingriff gefolgt von monatelanger Chemotherapie, aber mit der Rückbildung des Tumors als Belohnung.
    In letzter Zeit jedoch hatte er bei jeder Konsultation ein bisschen weniger zuversichtlich ausgesehen, weniger geneigt, ihr sein gewinnendes Lächeln zu schenken. Nun spürte er ihren Blick auf sich, und als er sie ansah, lächelte er, aber das Lächeln erreichte seine Augen nicht, deren verborgene Tiefen auf einmal etwas deutlicher hervorschimmerten, als ihr lieb war.
    Â»Schreiben Sie etwas Interessantes?«, fragte er und deutete mit dem Kopf auf den Laptop.
    Emma versuchte, sein Lächeln zu erwidern, doch ihre Mundwinkel wurden von unsichtbaren Gewichten nach unten gezogen. Sie merkte, wie sie nicht nur unwillkürlich in das Krankenhausbett zurücksank, sondern geradezu schrumpfte, zu einem kleinen, wehrlosen Kind schrumpfte und sich an ihre Zukunft klammerte wie an eine Kuscheldecke, die man ihr wegziehen wollte. »Nur dummes Zeug«, antwortete sie mit einem wegwerfenden Achselzucken.
    Zu der Zeit, als sie noch endlos viele Tage vor sich zu haben glaubte, hatte sie große Ambitionen gehegt, und ein Buch zu schreiben gehörte dazu. Ihr erster Kampf gegen den Krebs hatte ihren

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