Fuer immer und ledig - Roman
1
Man kann nicht einfach nur heiraten. Man muss in etwas heiraten. Natürlich muss man auch jemanden heiraten, aber das war im Moment nicht mein Problem. Den richtigen Mann hatte ich längst. Jörg, der Bassbariton. Wir lernten uns bei den Proben zu »Figaros Hochzeit« kennen, wo er den Figaro sang. Drei Monate waren wir bereits zusammen, ich schwebte im siebten Himmel. Er sah zwar nicht umwerfend gut aus, eher ein wenig unscheinbar, aber er war witzig und lebhaft, er schickte den ganzen Tag Liebesschwüre per SMS, er sprühte nur so vor Energie und hatte immer wieder neue verrückte Ideen, was wir gemeinsam unternehmen und wie wir unser Zusammenleben gestalten könnten. Manchmal ging mir seine Unternehmungslust (besonders, was den Sex anging) ein bisschen zu weit, aber ich schrieb es dem Überschwang der ersten Verliebtheit zu und war mir sicher, dass sich das noch einpendeln würde.
Vor ein paar Tagen hatte Jörg zu mir gesagt: »Tilly, Liebste, ich kann mir nicht vorstellen, jemals ohne dich zu sein.«
Und ich hatte gesagt: »Du würdest mich also heiraten?
« Ängstlich hatte ich die Luft angehalten und mich gefragt, ob ich ihn überrumpelt hatte.
Es hatte ein paar Sekunden gedauert, aber dann hatte er mit ernster Stimme und einem tiefen Blick in meine Augen geantwortet: »Wenn es das ist, was dich glücklich macht, dann werde ich es tun.«
Fast hatte ich meinen guten Freund Tim so weit, mir das Kleid, das mir nicht mehr aus dem Kopf ging, nachzuschneidern. Für das Original besaß ich nämlich nicht das nötige Kleingeld. Da fehlten mir ein paar Euro. Im oberen fünfstelligen Bereich.
»Nein. Ich verstehe nicht, warum um alles in der Welt du ausgerechnet bei deiner Hochzeit aussehen willst wie ein Sahnebaiser. Das kann ich nicht unterstützen.« Tim arbeitete zwar als Gewandmeister an der Staatsoper, aber von Mode hatte er ganz offensichtlich keine Ahnung.
»Wenn ich darin wirklich aussehe wie ein Sahnebaiser, dann will ich eben aussehen wie eins«, bettelte ich deshalb. »Bitte, lass mich nur ein einziges Mal in meinem Leben so aussehen. Das stört mich überhaupt nicht! Über Sarah Jessica Parker haben sie auch mal in der Klatschpresse geschrieben, dass sie aussah wie ein Sahnebaiser, und sie sah toll aus, ich hab die Bilder gesehen! Und ich weiß, dass du es kannst!«
Tim verdrehte die Augen und bürstete am Bühnenkleid der Gräfin herum. Die Gute stürzte sich nämlich während jeder Aufführung an der Stelle auf die Knie, an der zuvor der Figaro - gespielt und gesungen von Jörg - mit Kreide herumhantiert hatte. Das mit der Kreide
und dem Figaro war ein Regieeinfall, den ich nie ganz verstanden hatte. Wo der Kniefall der Gräfin herkam, blieb offiziell ein ungelöstes Rätsel. Meine persönliche, unmaßgebliche Meinung zu dem Thema war, dass die Dame - von ihrem Naturell her eine Mischung aus Diva und Rampensau - ihrer Rolle einfach etwas mehr Drama geben wollte. Und auch wenn sie nach jeder Vorstellung wie ein Hafenarbeiter über den Kreidestaub auf ihrem Kleid fluchte, war ich mir insgeheim sicher, dass sie es liebte, sich darüber aufregen zu können.
»Wenn ich ein paar Änderungen vornehmen darf, damit du weniger nach Baiser und mehr nach Braut aussiehst …«, brummte er widerwillig.
»Neiiin«, rief ich entsetzt. »Es muss ganz Lagerfeld sein, ganz Chanel! Ich will Sahnebaiser!«
»Dann frag Lagerfeld, ob er’s dir mal ausleiht«, stöhnte der geplagte Gewandmeister und bürstete einen Gang schneller.
»Also du sagst Ja, ja?«, strahlte ich.
»Nur über meine Leiche«, knurrte er zurück.
»Du bist und bleibst ein Schatz!« Entzückt drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange. »Danke.«
»Wann?«, rang er sich ab.
»Ich muss Jörg erst fragen. Wenn’s nach mir geht, schon sehr bald.«
»Er weiß noch gar nicht, dass ihr heiratet?«, fragte Tim verblüfft.
» Wann wir heiraten«, verbesserte ich.
»Sahnebaiser«, murrte Tim.
»Besser Sahnebaiser als … Presswurst«, flötete ich. »Deine Kollegin Dörte zum Beispiel. Die sah schlimm aus in diesem weißen Schlauchkleid!«
»Du warst auf Dörtes Hochzeit?«, staunte Tim. »Ich dachte, ihr könnt euch nicht riechen.«
»Ich war zufällig in der Nähe der Kirche, als sie für die Fotos rauskamen«, log ich. Ich liebte es, mich an den Wochenenden vor bestimmten Kirchen herumzudrücken, um mir die Bräute anzusehen. Die hübsche Backsteinkirche im wohlhabenden Hamburger Elbvorort Nienstedten zum Beispiel war bei Brautpaaren sehr
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