Fuer immer vielleicht
Alex
An: Rosie
Betreff: Re: Dad
Ich hab versucht, dich anzurufen, aber es ist ständig belegt. Versuch vor allem ruhig zu bleiben. Ich hab im Krankenhaus angerufen und mit einem Dr.Flannery gesprochen. Er ist der Arzt, der sich um deinen Vater kümmert, und er hat mir erklärt, was mit ihm los ist.
Ich schlage vor, dass du Klamotten für ein paar Tage einpackst und in den nächsten Bus nach Galway steigst. Verstehst du, was ich meine?
Vergiss deine Prüfung, dein Vater ist jetzt wichtiger. Bleib ganz ruhig, Rosie, sei einfach da für deine Mum und deinen Dad. Sag Stephanie, sie soll auch kommen, wenn es irgendwie geht. Bleib mit mir über Nacht in Kontakt.
Alles Gute,
Alex
Kapitel 43
An Alex mobil
Alex, er ist nicht mehr da. Ich kann es nicht glauben.
*
Lieber Alex,
wusstest du das? Särge dürfen höchstens 76 Zentimeter breit sein, aus Spanholz mit ganz bestimmten Furniersorten für die Verbrennung. Eisenhaltige Schrauben dürfen nur in kleinen Mengen vorhanden sein, Holzverstrebungen sind zulässig und verleihen dem Sarg zusätzlich Stabilität, dürfen aber nur im Innern angebracht werden.
Der Sarg muss den vollen Namen des Verstorbenen auf dem Deckel tragen. Damit es keine Verwechslungen gibt, denke ich. Lieber nicht erfahren hätte ich, dass der Sarg mit einem saugfähigen Stoff ausgestattet sein muss, weil eine Leiche Flüssigkeit absondern kann.
Eigentlich hatte ich von nichts eine Ahnung.
Dann gibt es Formulare. Unmengen von Formularen. Formular A, B, C, F und dazu noch die ganzen medizinischen Papiere. Seltsamerweise fehlten D und E. Ich hätte nicht gedacht, dass man für den Tod so viele Beweise braucht – es ist doch ziemlich eindeutig, wenn jemand aufgehört hat zu leben und zu atmen. Anscheinend nicht.
Ich vermute, es ist so ähnlich wie bei einer Auswanderung. Dad musste seine Papiere zusammensammeln, seinen Sonntagsanzug anziehen, sich ein Transportmittel besorgen, und dann ab zur letzten Ruhestätte, wo immer diese sein mag. Und Mum hätte ihn so gern auf dieser Reise begleitet …
Bei der Beerdigung hat sie jedem erzählt: »Er ist einfach nicht wieder aufgewacht. Ich hab ihn gerufen und gerufen, aber er ist einfach nicht wieder aufgewacht.« Sie zittert ständig, seit Dad tot ist, und sieht zwanzig Jahre älter aus. Gleichzeitig wirkt sie aber viel jünger. Wie ein kleines Kind, das sich verirrt hat und nicht mehr weiß, wohin es gehen soll. Als wäre sie plötzlich an einem unbekannten Ort und hätte vollkommen die Orientierung verloren.
Wahrscheinlich ist es auch so. Eigentlich für uns alle.
Ich hab so etwas ja noch nie erlebt, ich bin sechsunddreißig und hab noch nie einen nahe stehenden Menschen verloren. Ich war in meinem Leben auf zehn Beerdigungen, alles entfernte Verwandte, Freunde von Freunden oder Familie von Freunden, deren Verlust sich in meinem Leben nicht wirklich bemerkbar gemacht hat.
Aber Dad? Das ist ein Schlag.
Dabei war er doch erst sechsundsechzig, also echt nicht alt. Und er war gesund. Wie ist es möglich, dass ein gesunder sechsundsechzigjähriger Mann einschläft und einfach nicht wieder aufwacht? Ich kann mich nur mit dem Gedanken trösten, dass er irgendetwas Wunderschönes entdeckt hat und es sich unbedingt aus nächster Nähe ansehen wollte. Das wäre jedenfalls typisch Dad.
Wenn man mitkriegt, dass es den eigenen Eltern richtig schlecht geht, ist das unglaublich belastend. Ich denke, das kommt daher, dass sie erwachsen und stark sein sollen, aber das ist noch nicht alles. Kinder nehmen die Reaktionen ihrer Eltern auch als Maßstab dafür, wie schlimm eine Situation wirklich ist. Wenn ein Kind hinfällt und nicht ganz sicher ist, ob es sich richtig schlimm wehgetan hat, dann beobachtet es seine Eltern. Wenn die ein besorgtes Gesicht machen und händeringend angerannt kommen, fängt das Kind sofort an zu weinen. Wenn sie aber locker bleiben, vielleicht sogar lachen und etwas sagen wie: »Dieser böse Boden!«, dann rappelt das Kind sich auf und spielt weiter, als wäre nichts geschehen.
Wenn du mit achtzehn merkst, dass du schwanger bist, und dich zuerst mal wie betäubt fühlst, schaust du auch erst mal, wie deine Eltern reagieren. Wenn deine Mum und dein Dad dich in den Arm nehmen und dir sagen, dass alles gut wird und dass sie dich unterstützen, dann weißt du, es ist nicht der Weltuntergang. Aber je nachdem, was für Eltern man hat, kann es sich leicht zu einer Katastrophe auswachsen.
Eltern sind Gefühlsbarometer für ihre Kinder, und
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