Fuer immer zwischen Schatten und Licht
„Lasst uns jetzt bitte hier verschwinden, ja?“
Linkisch wischte sich Sam eine Haarsträhne aus der Stirn. Er wirkte vollkommen überrumpelt, aber allmählich breitete sich auch tiefe Erleichterung auf seinem Gesicht aus. Sein zittriges Lächeln machte jedoch gleich wieder einem erschrockenen Ausdruck Platz, als er sich umwandte. Ich folgte seinem Blick und entdeckte Jinxy, die immer noch direkt vor der Tür stand. Zwar lag das Messer nun auf dem Boden, als wäre es ihr einfach aus den Fingern gerutscht, aber ansonsten war ihre Haltung unverändert.
Sam fluchte leise. „Sie hat sich die ganze Zeit nicht vom Fleck gerührt, oder?“
„Serafina hat sie manipuliert, niemanden aus dem Gebäude zu lassen“, erwiderte ich beklommen. Ich fühlte mich hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, meine Freundin in die Arme zu schließen, und einer nagenden Angst.
„Das hab ich mir schon gedacht. Als ich reingekommen bin, hat sie mich nur stumm angeschaut, und ich hab zuerst vermutet, das würde am Schock liegen. Aber … wer selbst mal so etwas gemacht hat, lernt die Anzeichen richtig zu deuten.“ Sam hatte die Hände in die Hosentaschen geschoben und vermied es, uns anzusehen. Wahrscheinlich wollte er gerade nichts weniger, als uns an seine unfreiwilligen Gehilfen im Steinbruch zu erinnern.
„Weil du dich ja damit auskennst, weißt du hoffentlich auch, wie man diesen Zustand beendet“, drängte Rasmus.
Sam biss sich auf die Lippe. Nach einer kurzen Pause sagte er: „Keiner von uns hat übernatürliche Kräfte, also können wir nichts dagegen tun. Es wäre allerdings möglich, dass so ein Bann bricht, wenn die verantwortliche Person stirbt.“
Mehr brauchte ich nicht zu hören. Mit wenigen Schritten war ich bei Jinxy und berührte sie an der Schulter. „Hey … alles in Ordnung mit dir?“
Keine Reaktion. Verzweifelt drehte ich mich zu den anderen um und stellte fest, dass Sam mir trotz seiner Wunde nachgeeilt war. Ich hätte nicht erwartet, dass er überhaupt Anteil nahm, aber er wirkte ehrlich besorgt, wenn nicht sogar ängstlich.
„Das kannst du nicht machen, halbe Portion“, sagte er rau. „Hast du kapiert? Das wäre echt eine verdammt schwache Leistung von jemandem, der so einen harten Schädel hat wie du!“
Zuerst schien es, als würden auch seine Worte einfach an Jinxy abprallen. Dann aber regte sie sich, und mein Herz vollführte einen Hüpfer, nur um gleich wieder mutlos nach unten zu sinken: Ihre Miene hatte sich noch mehr verhärtet, die hellgrünen Augen waren zu Schlitzen verengt.
„Ihr“, begann sie kalt, „… müsstet mal eure Gesichter sehen! HA!“
Mein Aufschrei wurde durch meine Finger gedämpft, die ich mir vor Überraschung auf den Mund gepresst hatte. Ich wollte Jinxy um den Hals fallen, aber ich zügelte die blubbernde Freude in meinem Bauch, als ich Sams Miene sah: Seine Augenbrauen hatten sich unheilverkündend zusammengeschoben, und sein Blick war so düster, dass Jinxy vor seiner ausgestreckten Hand zurückscheute.
„Ach, komm her“, fauchte er, dann erwischte er sie an einem ihrer Zöpfchen. Ein nicht gerade sanfter Ruck, Jinxy stolperte auf ihn zu – und in der nächsten Sekunde hatte er beide Arme um sie geschlungen. Meine Kinnlade fiel mir ungefähr bis zu den Knien, als er seine Lippen auf Jinxys presste.
Fassungslos schaute ich zu Rasmus hinüber, der inzwischen neben mich getreten war. Allerdings wirkte er kein bisschen erstaunt, sondern einfach nur belustigt.
„Hast du etwa … davon gewusst?“, wisperte ich.
Er grinste breit. „Das war doch vorauszuahnen.“
„Ehrlich?!“
Jetzt riss er sich von dem knutschenden Pärchen los und sah mich vergnügt an. „Lily, du bist das cleverste Mädchen, das mir je begegnet ist. Und deshalb wirst du es mir hoffentlich verzeihen, wenn ich sage: Ist das niedlich, wenn du so schwer von Begriff bist!“
Stumm klappte ich den Mund auf und zu, aber als aus Jinxys und Sams Richtung ein unmissverständliches Schmatzen ertönte, griff Rasmus‘ heitere Stimmung auf mich über.
„HALLO-HO“, rief ich, und Rasmus fügte nahtlos hinzu:
„Ernsthaft, Leute, nehmt euch ein Zimmer!“
Sam und Jinxy sprangen mindestens zwei Meter auseinander, und ich schaffte es nicht mehr, mein leicht hysterisches Kichern zurückzuhalten. Dass ich ausgerechnet diese beiden Personen peinlich berührt erleben durfte, war Gold wert.
Sam hatte sich jedoch ziemlich schnell von seinem Schreck erholt. Lässig schlang er wieder einen Arm um
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