Fürchtet euch
gebrochen waren, heilen können, dass sie sich verändern und etwas anderes werden können, als sie waren. Das gilt auch für Kirchen. Die lebendige Kirche besteht aus Menschen, und sie kann krank werden und zerbrechen, genau wie Menschen das können, und manchmal können Kirchen auch sterben, wie Menschen das können. Meine Kirche starb, aber sie starb nicht mit Carson Chambliss; sie war schon lange vorher tot. Aber ich kann Ihnen sagen, dass sie wieder zum Leben erwachte, sobald er nicht mehr da war. Eine Kirche kann geheilt werden, und sie kann erlöst werden, wie Menschen erlöst werden können. Und so ist es uns ergangen. Wir waren wie eine erfrorene Hand, die langsam wieder auftaut. Als Erstes werden die Fingerspitzen wieder lebendig, und auf einmal können die Finger sich öffnen und schließen. Und dann kehrt das Gefühl in die Handfläche zurück. Nach oben gewandt. Wartend. Bezeugend. Auch zu uns kehr- te das Gefühl zurück.
Es begann an dem Sonntag, als jemand früher als sonst zur Kirche fuhr und die alten Zeitungen von den Fenstern riss. Ich habe nie erfahren, wer das getan hatte, ich fragte nicht, und es sagte auch keiner von sich aus, dass er es gewesen war. Aber zum ersten Mal seit über zehn Jahren konnte ich wieder durch die Fenster meiner Kirche schauen, und in der Kirche selbst konnte ich mich umdrehen und die Welt sehen, die ebenso lange ausgesperrt worden war. Der Fluss auf der anderen Seite der Straße floss noch immer von Marshall kommend unter der Brücke her, und ich wusste, dass er noch immer weiter bis Tennessee floss. Es war dieselbe Welt, die wir ausgeschlossen hatten, und es war schön, sie wiederzusehen.
Am Sonntag darauf brachte ich zum ersten Mal seit Jahren die Kinder zur Sonntagsschule in die Kirche. Unser Unterricht fand hinten im Raum statt, während die Erwachsenen ihren vorne abhielten. Als der Gottesdienst begann, ging ich mit den Kindern nach draußen, aber einige wollten in der Kirche bei ihren Eltern bleiben, und dagegen hatte ich überhaupt nichts einzuwenden.
Eine ganze Reihe von Leuten verließen die Kirche nach dem, was mit Carson Chambliss passiert war, und ich schätze, genauso viele kamen gar nicht erst, weil sie davon erfahren hatten. Aber andere kamen, nach und nach: überwiegend junge Leute, Leute, die von auswärts nach Madison County gezogen waren und noch nicht lange genug da waren, um Gutes oder Schlechtes über die kleine Kirche am Fluss gehört zu haben. Auch Jess kam zurück zu uns.
Jimmy Hall bringt ihn fast jeden Sonntag her, aber er kommt nie mit rein. Was das angeht, ähnelt er eher seinem Sohn als seinem Enkel, und während Jess in der Kirche oder draußen am Fluss ist, sitzt Jimmy in seinem Pick-up und raucht und liest Zeitung. Aber das stört mich nicht. Von mir aus muss er nie wieder einen Fuß in die Kirche setzen, wenn er nicht will. Mir genügt das Wissen, dass er da draußen ist, falls Jess ihn mal braucht. Und ich glaube, Jess genügt das auch.
Die Kirche ist jetzt ein guter Ort, ohne die Schlangenkisten, ohne die muffigen Gerüche nach abgestreifter Haut, ohne die Klappern, die plötzlich unsichtbar loslärmen. Es gab Zeiten, da dachte ich, wir wären verstoßen worden in die Wildnis, geleitet von einem falschen Propheten, der keinen anderen Willen akzeptierte als seinen eigenen. Den Gottesdienst halten jetzt zwei, drei Prediger abwechselnd ab, weil wir noch keinen festen Pastor haben. Die Israeliten hatten einen Mose, der sie aus der Wildnis führte. Wir warten noch auf unseren.
Aber als im Alten Testament Gottes auserwähltes Volk rief: »Errette uns, Herr!«, da wurde es von ihm erhört und errettet. Er war für die Israeliten da, weil sie glaubten. Wir glauben noch immer.
Ich denke, Gott hat fest vor, uns auch zu erretten.
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Dank
Ich möchte folgenden Menschen für ihre Beiträge zu diesem Buch und zu meinem schriftstellerischen Leben danken:
Nat Sobel, Judith Weber und all den wunderbaren Menschen bei Sobel Weber Associates, Inc. Nat, danke, dass du mich vor drei Jahren gefunden hast, und danke noch mehr, dass du dich zwei Jahre später an mich erinnert hast. Deine Hilfe ist unbezahlbar. David Highfill, Jessica Williams und allen bei William Morrow. David, als ich North Carolina in deiner Stimme hörte, wusste ich, dass ich in guten Händen war. Danke, dass du dieses Buch und die Menschen darin genauso liebst wie ich.
Den unglaublichen Lehrerinnen und Lehrern, die mich zum Schreiben ermutigt
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