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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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die Hand und signalisierte ihm, ihn durchzulassen. Robby wandte den Blick von mir ab und sah Jimmy hinterher, der an Chambliss’ Wagen entlang zur vorderen Stoßstange ging. Er bog um den Kotflügel und blieb abrupt stehen, als er die blaue Plane sah, mit der Ben zugedeckt war. Robby blickte kurz zu mir rüber, und dann blickte er wieder auf Jimmy Hall. Der hatte sich noch nicht gerührt, und Robby wandte sich ab und ging dann zum Führerhaus des Krankenwagens, der Julie ins Krankenhaus bringen würde.
    Ich sah, wie Jimmy Hall auf die blaue Plane zuging, und ich sah, wie er sich daneben kniete. Ich wollte schon die Haustür öffnen und ihm zurufen, er sollte es nicht tun, nicht, weil ich fürchtete, er könnte Spuren am Tatort zerstören, bevor die Spurensicherung kam, sondern weil ich wusste, dass er wahrscheinlich nicht darauf vorbereitet war und wohl nie darauf vorbereitet sein würde, das zu sehen, was sich darunter verbarg. Aber ich wusste auch, dass Väter sehen wollen, was mit ihren Söhnen passiert ist, und es sich manchmal nicht verzeihen können, wenn sie es nicht getan haben. Er streckte eine Hand aus und berührte die Plane, aber ich wandte mich ab, ehe ich sah, wie er sie anhob. Ich fand, dass ich den beiden wenigstens die Achtung vor diesem letzten privaten Moment schuldig war.
    Jess hatte wieder die Augen auf und saß auf der Sofakante.
    »Was ist da draußen los?«, fragte er.
    »Dein Grandpa ist da«, sagte ich. Ich trat von der Tür weg und stellte mich mitten in den Raum und wartete. Jess sah mich an, und dann blickte er zur Tür. Wir konnten Jimmy Hall die Stufen raufkommen hören, und dann das Quietschen der Fliegentür, als er sie aufzog. Er öffnete die Haustür und trat ein. Wir standen da und starrten uns eine Sekunde lang an, und dann sah er rüber zu Jess.
    »He, Kleiner«, sagte er. Ich hörte, wie Jess auf dem Sofa herumrutschte, und dann schniefte er, als würde er anfangen zu weinen. Er stand auf, und Jimmy ging auf ihn zu.
    »Moment«, sagte ich. Ich trat zwischen ihn und Jess, und ich blickte auf die Finger von Jimmys rechter Hand. Sie sahen aus, als hätte ihm jemand die Fingerabdrücke mit Blut abgenommen. Auch er sah auf seine Finger, und dann drehte er die Hand um, öffnete sie und blickte darauf, als meinte er, etwas darin gehalten zu haben, was nicht da war. Ich beugte mich zu ihm und versuchte zu flüstern, obwohl ich es nicht so leise sagen konnte, dass Jess es nicht doch mitbekam. »Sie sollten sich die Hände waschen«, sagte ich. »Er sollte das besser nicht sehen.« Ich sah ihn an und deutete mit dem Kinn Richtung Küche. Er schaute zu Jess runter, und er versuchte zu lächeln.
    »Ich bin gleich wieder da, Kumpel«, sagte er. Ich hörte seine Schritte, die mir aus dem Wohnzimmer folgten. Ich ging in die Küche und drehte das Wasser über der Spüle auf. Jimmy stellte sich neben mich und hielt die Hände unter den Hahn. Er hatte noch kein Wort zu mir gesagt, und er hatte mich kaum angesehen.
    »Jimmy«, sagte ich. »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen erklären soll, was heute Morgen da draußen passiert ist. Ich kann es selbst noch kaum verstehen. Aber eines weiß ich, der Junge braucht Sie jetzt. Er wird lange Zeit sonst niemanden haben. Ich glaube zwar, dass seine Mama das übersteht, aber vorläufig hat er nur Sie.« Jimmy nahm ein gelbes Stück Seife, das auf dem Rand der Metallspüle lag. Er sprach, ohne mich anzusehen.
    »Haben Sie ihn erschossen?«, fragte er. Ich seufzte so laut, dass er es hören konnte, und blickte von ihm weg und durch das Fenster auf die Felder, die sich neben dem Haus erstreckten. Bens Burley war geschnitten und zum Vortrocknen an Stangen aufgehängt worden und wartete jetzt darauf, in die Scheune gebracht zu werden. Ich wusste, dass die Ernte verderben würde, wenn sie noch länger da draußenblieb. Ich sah wieder Jimmy an. Er hatte das Wasser abgedreht und trocknete sich die Hände an einem Geschirrtuch ab. »Haben Sie?«, fragte er. Er faltete das Geschirrtuch säuberlich zusammen und legte es neben die Spüle.
    »Ja«, sagte ich. »Aber ich schwöre Ihnen, Jimmy, ich habe versucht, es zu verhindern. Ich hätte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um nicht schießen zu müssen. Ich wünsch- te, es hätte nicht so geendet.« Er hob den Kopf und stand da und blickte hinaus auf Bens Felder.
    »Ich auch«, sagte er. Er drehte sich um und ging zurück ins Wohnzimmer. Ich folgte ihm, aber wir blieben beide stehen, als wir sahen, dass Jess sich

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