Fürchtet euch
die Hose gemacht hatte.
»Du hast auf meinen Daddy geschossen!«, schrie er. »Daddy!« Er rief auch nach seiner Mutter, aber die weinte und antwortete nicht, und ich fragte mich, ob sie ihn überhaupt hören konnte.
»Ganz ruhig«, sagte ich. »Komm, wir gehen ins Haus. Die Ärzte werden bald da sein und sich um alle kümmern. Es wird alles wieder gut.«
»Du hast auf meinen Daddy geschossen!«, sagte er. »Ich hab’s gesehen!« Ich spürte, dass sein ganzer Körper bebte, als wäre jeder Schluchzer der letzte und tiefste, den er noch in sich hatte. Ich hielt ihn fest und versuchte, seinen Kopf gegen meine Brust zu drücken, damit er nicht über meine Schulter auf den Hof blicken konnte. Sobald wir im Haus waren, setzte ich ihn aufs Sofa, zog die Vorhänge zu und schloss die Haustür.
»Bleib schön da sitzen«, sagte ich zu ihm. Er weinte noch immer und zitterte am ganzen Körper. Er zog die Knie an die Brust und schlang die Arme um die Beine. »Bleib schön sitzen, ich bin gleich wieder da«, sagte ich. »Ich ruf einen Krankenwagen, dann sind die Ärzte ganz schnell da. Es wird alles wieder gut.« Ich trat von ihm zurück und schaute mich im Wohnzimmer nach einem Telefon um, konnte aber keins entdecken. Ich sah wieder Jess an. »Wo ist euer Telefon?« Er starrte bloß zu mir hoch, ohne etwas zu sagen, daher behielt ich ihn im Auge und ging rückwärts zur Küche. Ich spähte hinein und sah ein Telefon an der Wand gleich neben der Tür.
Ich nahm den Hörer von der Gabel und hielt ihn mir ans Ohr, und als ich den Finger in die Wählscheibe steckte, merkte ich, wie heftig meine Hände zitterten. Ich wählte den Notruf und ging dann mit dem Hörer so weit, wie die Schnur reichte, zurück ins Wohnzimmer. Jess saß noch immer auf dem Sofa. Er hatte das Kinn auf die Knie gelegt und die Augen geschlossen. Als die Frau von der Vermittlung sich meldete, sagte ich, wer ich war, und dass wir sofort zwei Krankenwagen brauchten, und als ich gerade wieder auflegen wollte, fiel mein Blick auf Jess, und ich dachte daran, dass seine Mama da draußen auf der Einfahrt saß, bei ihrem Mann, der gerade versucht hatte, sie umzubringen, und ich traf eine Entscheidung, die mich fast mehr überraschte als alles andere, was an dem Morgen passiert war.
»Moment noch«, sagte ich zu der Frau von der Vermittlung. »Wo ich Sie gerade am Apparat habe, könnten Sie mich mit James Hall drüben in Shelton verbinden?« Ich hörte, wie die Nummer gewählt wurde, und dann kam ein leises Klicken, bevor es am anderen Ende klingelte. Es muss sechs- oder siebenmal geklingelt haben, ehe er ranging. Ich schaute nach unten auf meine Stiefel und hielt den Hörer ans Ohr und lauschte, während er am anderen Ende mit seinem Telefon hantierte. Laut der Uhr auf dem Tisch neben der Haustür war es 8 Uhr 33 .
»Ja?«, sagte er. Ich konnte ihn schwer ins Telefon atmen hören, und ich stellte ihn mir am anderen Ende vor, wie er mit geschlossenen Augen hoffte, dass ich mich verwählt hätte und ihn nicht weiter stören würde. »Hallo«, sagte er. Er klang, als wäre er entweder gerade aufgewacht oder hätte noch gar nicht geschlafen, und ich fragte mich unwillkürlich, ob er verkatert war.
»Jimmy«, sagte ich im Flüsterton, damit Jess mich nicht hörte. »Hier ist Clem Barefield.«
»Wer?« Ich ging vom Wohnzimmer zurück in die Küche. Ich lehnte mich gegen die Arbeitsplatte und schloss die Augen.
»Hier ist Clem Barefield«, sagte ich wieder.
»Was wollen Sie?«, fragte er. Ich öffnete die Augen und sah mich in der Küche um und überlegte, wie ich ihm beibringen sollte, was passiert war.
»Ich bin zu Hause bei Ben«, sagte ich. »Und Jess ist hier bei mir.« Ich hielt inne, weil ich dachte, er würde mir irgendeine Frage stellen wollen, aber er sagte nichts, obwohl ich mir vorstellte, dass er die Augen jetzt geöffnet hatte und hellwach war. »Es hat hier heute Morgen ein Problem gegeben, und ich denke, Sie sollten herkommen und sich um Jess kümmern. Er braucht jetzt hier dringend jemanden, und ich wusste nicht, wen ich sonst anrufen sollte.«
»Was ist passiert?«, fragte er. Seine Stimme war klar und schneidend, und ich spürte irgendwas in ihr, das vorher nicht da gewesen war – Panik vielleicht oder Furcht oder beides. »Wieso sind Sie da?«
»Es hat ein Problem gegeben«, sagte ich. »Wir können über alles reden, wenn Sie hier sind.«
»Lassen Sie mich mit Ben sprechen«, sagte er.
»Das geht jetzt nicht, Jimmy«, sagte ich. »Kommen
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