Fürchtet euch
Julies Sitz gelegt, den Kopf nach hinten gedreht und sah mich durch die Heckscheibe an. Ich fand es damals schon merkwürdig, und ich finde es richtig unheimlich, wenn ich jetzt darüber nachdenke, aber er lächelte mich an. Es war fast so, als wäre er stolz darauf, urplötzlich den Guten zu spielen – jemanden, zu dessen Schutz ich gekommen war, jetzt, wo Ben Hall ihn endlich zum Opfer gemacht hatte.
Und dann das viele Blut an den Fenstern. Es ist, als hätte ich gesehen, wie es passierte, bevor ich es hörte. Chambliss’ Gesicht war da auf der anderen Seite der Heckscheibe, die Augen zusammengekniffen, als würde er sich darauf konzentrieren, auf dem Schotter zu bleiben und nicht seitlich auf das Gras zu geraten. Und auf einmal konnte ich sein Gesicht nicht mehr sehen, und ich merkte, dass ich auch nicht mehr durch die Scheibe sehen konnte. Als meine Ohren den Schuss registriert hatten, wusste ich schon, was mir da die Sicht nahm: Fetzen von Chambliss’ Gehirn und Schädel waren von der Wucht der Schrotkugeln an die Heckscheibe geschleudert worden. Sein Wagen rollte aber weiter rückwärts auf mich zu, schneller und schneller, bis ich den Schalthebel des Streifenwagens auf Parken stellte und mich auf den Aufprall gefasst machte. Chambliss’ Wagen krachte gegen meinen Kühlergrill, sein Kofferraum sprang auf, und ich sah, dass er ein halbes Dutzend von den kleinen Holzkisten eingepackt hatte, die ich in seiner Scheune gesehen hatte. Ein paar von ihnen fielen auf meine Motorhaube, und ich starrte sie durch den Dampf hindurch an, der aus meinem Kühler aufstieg. Dann hörte ich einen zweiten Schuss, der den Rest von Chambliss’ Windschutzscheibe zerplatzen ließ, aber da sein Kofferraum offen war und unter meiner Motorhaube Dampf hervorströmte, konn- te ich nichts sehen.
Ich öffnete meine Tür und nutzte sie als Deckung. Ich stieg aus, zog meine Pistole und richtete sie auf Ben. Er war Chambliss’ rollendem Wagen gefolgt und stand jetzt direkt vor dessen Stoßstange. Als er sah, wie ich meine Pistole zog und hinter der Autotür in Deckung ging, richtete er seine Flinte auf mich. Ich fragte mich, ob er Zeit zum Nachladen gehabt hatte, aber ich hütete mich davor, vom Gegenteil auszugehen.
»Lass die Waffe fallen, Ben«, sagte ich. Er sah mich an, als wüsste er nicht mehr, wer ich war, und dann flackerte in seinen Augen eine Spur von Wiedererkennen auf, und er blickte mich gebannt an. »Es ist vorbei«, sagte ich zu ihm. »Leg die Waffe hin und lass uns ins Haus gehen und über alles reden. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Das weißt du.«
Es war ganz still, und wir zwei standen einfach so da und starrten uns an. Plötzlich öffnete sich quietschend die Beifahrertür von Chambliss’ Wagen, und ich hörte Julie auf die Einfahrt fallen. Ich konnte sie nicht sehen, aber ich konnte sie in kurzen, raschen Zügen atmen hören, und ich hörte, wie sie langsam über den Schotter kroch, als würde sie versuchen, dem Ganzen zu entfliehen. Ben wartete, bis sie hinter der offenen Tür hervorgekommen war, und dann schwenk- te er die Flinte von mir weg und zielte auf sie.
»Mach das nicht, Ben!« rief ich. »Sieh mich an! Richte das Ding wieder auf mich!« Ich hörte Julie auf der ande- ren Seite des Wagens schluchzen, und ich konnte hören, wie sie verzweifelt versuchte, von ihrem Mann wegzukommen. »Das ist es nicht wert«, sagte ich. »Ich weiß das. Und du weißt das auch.«
»Nein, weiß ich nicht«, erwiderte Ben, und als er das sagte, drehte er den Kopf und sah mich an. In seinem Gesicht lag ein Ausdruck, den ich zuvor noch nie bei ihm gesehen hatte, und ich muss sagen, es war das einzige Mal im Leben von dem Jungen, dass ich in ihm seinen Daddy sah. Er behielt mich im Auge, sprach aber Julie an.
»Was meinst du, Schatz?«, rief er. »War es dir das wert? Was ihr in unserem Bett gemacht habt, was ihr in der Kirche gemacht habt. War es das wert?« Dann sah er zu ihr runter. »Du hast mir ständig in den Ohren gelegen, ich müsste zur Bibel zurückfinden, also hab ich sie vorgeholt und im Neuen Testament rumgelesen, Julie, und ich hab einen Vers für dich gefunden. Im Matthäusevangelium sagt Jesus, du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen. Er sagt auch, du sollst nicht stehlen. Aber mein Lieblingsspruch ist, du sollst kein falsches Zeugnis ablegen.« Sein Körper spannte sich an, als spielte er mit dem Gedanken, auf sie zu schießen. »Ich schätze, den Teil von Matthäus hat in eurer Kirche
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