Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Funke, Cornelia

Funke, Cornelia

Titel: Funke, Cornelia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rekkless
Vom Netzwerk:
verkörperten, hatte er nach seiner ersten gewonnenen Schlacht
anfertigen lassen. Soldaten, Kanoniere, Scharfschützen, Reiterfiguren für die
Kavallerie. Die Goyl waren aus Karneol, die Kaiserlichen aus Silber,
Lothringen trug Gold, die Armeen im Osten Kupfer und Albions Truppen
marschierten in Elfenbein. Kami'en blickte auf sie herab, als suchte er nach
einem Weg, sie alle gemeinsam zu schlagen. Er trug Schwarz, wie immer, wenn er
die Uniform ablegte, und seine rote Haut schien noch mehr als sonst aus Feuer
gemacht. Nie zuvor war Karneol die Hautfarbe eines Anführers gewesen. Bei den
Goyl war Onyx die Farbe der Fürsten.
    Kami'ens
Geliebte trug wie immer Grün, Schichten aus smaragdfarbenem Samt, die sie
einhüllten wie die Blätter einer Blüte. Selbst die schönste Goylfrau verblasste
neben ihr wie ein Kiesel neben geschliffenem Mondstein, aber Hentzau verbot
seinen Soldaten immer wieder, sie anzusehen. Nicht umsonst gab es all die
Geschichten über Feen, die Männer mit einem Blick in Disteln oder hilflos
zappelnde Fische verwandelten. Ihre Schönheit war Spinnengift. Das Wasser hatte
sie und ihre Schwestern geboren, und Hentzau fürchtete sie ebenso sehr wie die
Meere, die an den Steinen der Welt nagten.
    Die Fee
streifte ihn nur mit einem Blick, als er eintrat. Die Dunkle Fee. Selbst ihre
eigenen Schwestern hatten sie verstoßen. Es hieß, dass sie Gedanken lesen
konnte, aber Hentzau glaubte das nicht. Sie hätte ihn längst getötet für all
das, was er über sie dachte.
    Er kehrte
ihr den Rücken zu und beugte den Kopf vor dem König. »Ihr habt mich rufen
lassen.«
    Kami'en
griff nach einer der Silberfiguren und wog sie in der Hand. »Du musst jemanden
für mich finden. Einen Menschen, dem das Steinerne Fleisch wächst.«
    Hentzau
warf der Fee einen raschen Blick zu.
    »Wo soll
ich da suchen?«, erwiderte er. »Davon gibt es inzwischen Tausende.«
    Menschengoyl.
Früher hatte Hentzau seine Klauen zum Töten benutzt, doch nun ließ der Zauber
der Fee sie Steinernes Fleisch säen. Wie alle Feen konnte sie keine Kinder
gebären, also schenkte sie Kami'en Söhne, indem jeder Klauenhieb seiner Soldaten
einen seiner Feinde zum Goyl machte. Niemand kämpfte mitleidloser als ein Menschengoyl
gegen seine früheren Artgenossen, aber Hentzau verabscheute sie ebenso sehr
wie die Fee, deren Zauber sie erschaffen hatte.
    Auf
Kami'ens Mund hatte sich ein Lächeln gestohlen. Nein. Die Fee konnte Hentzaus
Gedanken nicht lesen, aber sein König schon.
    »Keine
Sorge. Der, den du finden sollst, ist leicht von den anderen zu
unterscheiden.« Kami'en stellte die silberne Figur zurück auf die Karte. »Die
Haut, die ihm wächst, ist aus Jade.«
    Die Wachen
wechselten einen raschen Blick, aber Hentzau verzog nur ungläubig den Mund. Die
Lavamänner, die das Blut der Erde kochten, der augenlose Vogel, der alles sah -
und der Goyl mit der Jadehaut, der den König, dem er diente, unbesiegbar
machte ... Geschichten für Kinder, um die Dunkelheit unter der Erde mit Bildern
zu füllen.
    »Welcher
Kundschafter hat Euch das erzählt?« Hentzau strich sich über die schmerzende
Haut. Schon bald würde sie durch die Kälte mehr Risse haben als zersplittertes
Glas. »Lasst ihn erschießen. Der Jadegoyl ist ein Märchen. Seit wann
verwechselt Ihr die mit der Wirklichkeit?«
    Die Wachen
senkten nervös die Köpfe. Jeden anderen Goyl hätten solche Worte das Leben
gekostet, aber Kami'en zuckte nur die Schultern.
    »Finde
ihn!«, sagte er. »Sie hat von ihm geträumt.«
    Sie. Die
Fee strich über den Samt ihres Kleides. Sechs Finger an jeder Hand. Jeder für
einen anderen Zauber. Hentzau spürte, wie der Zorn in ihm erwachte. Der Zorn,
der ihnen allen im steinernen Fleisch nistete wie die Hitze im Schoß der Erde.
Er würde für seinen König sterben, wenn es nötig war, aber es war etwas
anderes, nach den Traumgespinsten seiner Geliebten zu suchen.
    »Ihr
braucht keinen Jadegoyl, um unbesiegbar zu sein!«
    Kami'en
musterte ihn wie einen Fremden.
    Euer
Majestät. Hentzau ertappte sich immer öfter dabei, dass er Scheu hatte, ihn
beim Namen zu nennen.
    »Finde
ihn«, wiederholte Kami'en. »Sie sagt, es ist wichtig, und bisher hatte sie
immer recht.«
    Die Fee
trat an seine Seite, und Hentzau malte sich aus, wie er ihr den blassen Hals
zudrückte. Aber nicht einmal das brachte Trost. Sie war unsterblich und
irgendwann würde sie ihm beim Sterben zusehen. Ihm und Kami'en. Und dessen
Kindern und Kindeskindern. Sie alle waren ihr Spielzeug, ihr

Weitere Kostenlose Bücher