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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Auge und ein Ohr fehlen (Paco), verfügt über ein raffiniert moduliertes Knurren, das Laney aus einem mexikanischen Zeichentrickfilm zu kennen glaubt. Diese beiden sind fast mit Sicherheit aus Mexico City, falls die Geografie eine Rolle spielt, und gehören sehr wahrscheinlich zu jener Fraktion der zornigen Jugend, die gegenwärtig für die Wiederauf-füllung der trockengelegten Seen im Bundesdistrikt eintritt, eine radikale urbane Neugestaltung, von der Rei Toei in ihrem letzten Monat in Tokio aus irgendeinem Grund besessen gewesen war.
    Sie hatte überhaupt eine Faszination für große menschliche An-siedlungen entwickelt, und Laney war ihr Führer durch einige 233
    ziemlich absonderliche visuelle Info-Präsentationen dessen gewesen, was in diesem Jahrhundert so unter Stadtplanung fir-miert.
    Deshalb hängt er hier, an der Kreuzung dieser alten Kode-Wurzeln, an einem Ort ohne besondere Form oder Textur, abgesehen von Libia und Paco, und hört ihnen zu.
    »Der Hahn sagt, du hast den Eindruck, dass dich jemand dabei beobachtet, wie du Cody Harwood beobachtest«, sagt die Quecksilberkugel und pulsiert beim Sprechen. In ihrer Oberfläche spiegeln sich vorbeifahrende Fahrzeuge auf einer belebten Straße.
    »Es könnte ein Artefakt sein«, entgegnet Laney. Er ist sich nicht sicher, ob es richtig war, dem Hahn mit seiner legendären Paranoia davon zu erzählen. »Etwas, was vom 5-SB hervorgeru-fen wird.«
    »Das glauben wir nicht«, sagt die Katze, den einäugigen, ver-dreckten Kopf auf eine erstarrte Datenwehe gestützt. Sie gähnt, enthüllt gräulich-weißes Zahnfleisch, eine Farbe wie gekochtes Schweinefleisch, und einen einzelnen orangefarbenen Reißzahn.
    Ihr eines Auge ist gelb und hasserfüllt und starrt ihn unverwandt an. »Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass du bei deiner Observation tatsächlich observiert wirst.«
    »Aber im Moment nicht«, beruhigt ihn Libia.
    »Weil wir diese Tarnung konstruiert haben«, sagt die Katze.
    »Wisst ihr, wer es ist?« fragt Laney.
    »Harwood«, sagt Libia. Die Kugel erbebt leise.
    »Harwood? Harwood beobachtet mich, während ich ihn beobachte?«
    »Harwood«, sagt die Katze, »hat sich selbst 5-SB verabreicht.
    Drei Jahre, nachdem du aus dem Waisenhaus in Gainesville ent-lassen wurdest.«
    Laney ist sich plötzlich auf schreckliche Weise seiner physischen Existenz bewusst, seiner körperlichen Verfassung. Seine Lungen verschlechtern sich in einem Pappkarton in den Beton-eingeweiden des U-Bahnhofs Shinjuku.
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    Harwood. Es ist Harwood, den er sich manchmal als die Er-scheinungsform Gottes vorgestellt hat.
    Harwood, der...
    Wie er selbst ist.
    Harwood, der die Knotenpunkte sieht, wie Laney jetzt erkennt.
    Der die Formen sieht, aus denen Geschichte hervorgeht. Und deshalb ist er im innersten Kern des sich herausbildenden Scheitelpunkts, dieses Neuen, das Laney nicht richtig sehen kann.
    Natürlich ist Harwood dort.
    Denn Harwood ist, in gewissem Sinn, seine Ursache.
    »Woher wisst ihr das?«, hört er sich fragen und überwindet mit schierer Willenskraft die krankhaften Verengungen seines K örpers. »Seid ihr wirklich sicher?«
    »Wir haben einen Weg hinein gefunden«, zirpt Libia, und die Kugel verzerrt sich wie eine topographische Lernhilfe, verwandelt Spiegelbilder fließenden Verkehrs in animierte Escher-Fragmente, die nebeneinander dahinsausen und dabei einander spiegeln. »Der Hahn hat uns den Auftrag gegeben, und wir haben’s geschafft.«
    »Und weiß er es?« fragt Laney. »Weiß Harwood Bescheid?«
    »Wir glauben nicht, dass er’s bemerkt hat«, knurrt die Katze.
    Violett-brauner Schorf klebt da, wo einmal das Ohr war.
    »Sieh dir das an.« Libia versucht nicht, ihren Stolz zu verbergen. Die kompliziert gelappte Oberfläche des verspiegelten Gebildes zerfließt und kräuselt sich, und Laney schaut in die grauen Augen eines jungen und sehr seriös wirkenden Mannes.
    »Sie wollen, dass wir ihn töten«, sagt der junge Mann. »Oder verstehe ich Sie falsch?«
    »Sie verstehen mich richtig.« Harwoods Stimme, vertraut und unverkennbar, obwohl er müde klingt.
    »Wissen Sie, ich finde das eine sehr gute Idee«, sagt der junge Mann, »aber die Sache ließe sich wesentlich sicherer erledigen, wenn Sie uns Vorbereitungszeit gäben. Ich ziehe es vor, mir die Zeit und das Terrain auszusuchen, wenn es geht.«
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    »Es geht aber nicht«, sagt Harwood. »Tut es, wann ihr könnt.«
    »Sie müssen mir natürlich keinen Grund nennen«, sagt der junge Mann, »aber Ihnen ist doch

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