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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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warum.« Die kleinen Bilder wechseln flimmernd.
    229
    »Sie hätten den Laden nicht dorthin setzen sollen.«
    Harwoods Augen verlassen ihre Ferne. »Ich glaube, ich habe von dir noch nie eine derart klare Meinungsäußerung gehört.«
    Keine Antwort.
    »Du bekommst noch eine Chance, ihn dir anzusehen. Ich möchte, dass du herausfindest, worüber unser nachdenklicher Freund hier nachgrübelt.«
    »Hat das etwas mit deinen Andeutungen bei unserem letzten Gespräch zu tun, dass bald etwas geschehen wird?«
    »Ja.«
    »Und was wäre das?«
    Harwood betrachtet ihn aus den Fernen hinter seinen Brillengläsern. »Glaubst du an die Triebkräfte der Geschichte?«
    »Ich glaube an das, was uns zu dem Moment bringt.«
    »Anscheinend glaube ich schon selbst an den Moment. Ich glaube, wir nähern uns einem; die Schwerkraft seiner Fremdar-tigkeit zieht uns zu ihm hin. Es ist ein Moment, in dem sich alles und nichts verändern wird. Ich möchte sicherstellen, dass ich hinterher noch existenzfähig bin. Ich möchte sicherstellen, dass Harwood Levine hinterher nicht zu vier bedeutungslosen Silben geworden ist. Wenn die Welt wieder geboren werden soll, möchte ich in ihr wieder geboren werden, und zwar als etwas Ähnliches, was ich jetzt bin.«
    Er denkt an die mögliche Anzahl und Vielfalt von Fadenkreu-zen, die jetzt auf ihn gerichtet sein müssen, an verborgene tele-präsente Waffenstationen. Trotzdem ist er ziemlich sicher, dass er Harwood töten könnte, wenn es der Moment erfordern sollte, obwohl er auch weiß, dass er beinahe mit Sicherheit vor ihm sterben würde, wenn auch nur um Sekundenbruchteile. »Ich finde, du bist komplizierter geworden, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.«
    »Komplexer«, sagt Harwood und lächelt.
    230

42
    ROTE SCHEMEN EUROPÄISCHER ZEIT
    ontaine macht sich auf der Kochplatte eine Tasse Miso-Fer-Fti gsuppe. Die trinkt er immer, bevor er ins Bett geht, sie ist beruhigend salzig, und ganz unten findet man auch ein paar See-tangstücke. Er denkt an Skinners Mädchen und das Wiedersehen mit ihr. Normalerweise kommen die Leute nicht zurück, wenn sie die Brücke verlassen. War irgendwas komisch dran, wie sie weggegangen ist, aber was, weiß er nicht mehr genau. Nicht gut für den alten Mann, aber dessen Zeit war damals ohnehin fast schon um.
    Tick-tick von dem stummen Jungen unter dem Datenhelm, auf der Jagd nach Armbanduhren. Fontaine gießt sich die Miso in eine henkellose Tasse und atmet genussvoll den aromatischen Dampf ein. Müde, wie er ist, überlegt er, wo der Junge hier schlafen kann und ob er überhaupt schlafen wird. Vielleicht hockt er die ganze Nacht da und sucht nach Uhren. Fontaine schüttelt den Kopf. Das Ticken hört auf.
    Mit der Suppe in der Hand dreht er sich um, weil er sehen will, was die unaufhörliche Jagd gestoppt hat.
    Auf dem Bildschirm des Notebooks im Schoß des Jungen ist ein Scan von einer ramponierten Rolex »Victory« zu sehen, ein billiges Modell aus Kriegszeiten für den kanadischen Markt, das heutzutage einiges wert ist, aber nicht in diesem Zustand. Das Stahlgehäuse sieht wüst aus, und das Zifferblatt ist ungleichmäßig ausgeblichen. Die schwarzen arabischen Ziffern von eins bis zwölf sind wie neu, aber der rote Innenkreis der römischen Zahlen für die europäische Zeit ist fast verschwunden.
    231
    Fontaine schlürft seine Suppe, schaut nach unten und fragt sich, was der Junge in den roten Schemen europäischer Zeit sieht und was ihn dort festhält.
    Dann sackt der Kopf des Jungen unter dem Gewicht des Datenhelms herab, und Fontaine hört, wie er zu schnarchen beginnt.
    232

43
    LIBIA & PACO
    aney findet sich auf einer Insel in jenem sinnenweiten Strom Lw ieder, in dem er unablässig kreuzt.
    Dieser Ort ist kein Konstrukt, keine richtige Umgebung, sondern eher eine Verknüpfung, eine Einfaltung von Informationen, die in den Substraten der ältesten Kodes wurzeln. Eine Art be-helfsmäßiges Floß aus wahllos zusammengefügten Stücken, jedoch fest verankert und unbeweglich. Er weiß, dass es nicht zu-fällig da ist, dass man es aus einem bestimmten Grund in seinem Weg platziert hat.
    Der Grund ist, wie er gleich darauf feststellt, dass Libia und Paco mit ihm sprechen wollen.
    Sie sind Verbündete des Hahns, junge Bürger der Ummauerten Stadt, und zeigen sich hier als Quecksilberkugel in der Schwere-losigkeit und als schwarze, dreibeinige Katze. Die Quecksilberkugel (Libia) hat eine süße Stimme, die eines Mädchens, und die dreibeinige Katze, der auch ein

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