Fyn - Erben des Lichts
stumm. Sie schien wortlos zu akzeptieren, dass ich meine Meinung von einer Sekunde zur nächsten geändert hatte. Eine schöne Freundin war sie! Aber eigentlich hätte es mir klar sein müssen. Um ihren Willen zu bekommen, wäre sie auch bereit, über Leichen zu gehen.
Als wir uns an den Aufstieg des Geröllhangs machten, ging Ylenia vor mir, Arc kam zuletzt. Da ich gezwungen war, das zu sehen, was Norrizz’ Blickrichtung mir gestattete, glotzte ich während des gesamten Aufstiegs auf das wohlgeformte Hinterteil von Ylenia. Wenn es noch in meiner Macht gestanden hätte, wäre ich rot angelaufen. Norrizz war aus anderem Holz geschnitzt als ich, das hatte ich immer schon gewusst.
Auf der Hügelkuppe verschnauften wir eine Weile. Der arme Arc kam ächzend und schwer beladen hinter uns her. Ich hatte ihn länger nicht mehr gewartet und bezweifelte, dass Norrizz diese Aufgabe übernehmen würde. Es begann zu regnen, erst einige wenige Tropfen, dann stärker. Wir suchten Unterschlupf unter dem Vorsprung eines riesigen, wie ein Amboss geformten Felsens, der auf der anderen Seite des Hügels thronte. Wir entschieden, dort für die Nacht zu rasten. Ich gab mir alle Mühe, mein Bewusstsein vor den Ereignissen um mich herum zu verschließen, doch es wollte mir nicht gelingen. Norrizz schlitterte von einer Peinlichkeit in die nächste. Nicht nur, dass er Ylenia unverhohlen anstarrte, als diese sich ihre nassen Kleider abstreifte. Nein, er verzog meine Lippen dabei auch noch zu einem anstößigen Lächeln. Aber es kam noch schlimmer. Nachdem wir zu Abend gegessen hatten, trieb der Wüstling auf eine derart unflätige Weise mit Ylenia Unzucht, dass ich am liebsten im Erdboden versunken wäre. Norrizz’ gedachter Kommentar in meine Richtung – Siehst du, so geht das! – hatte nicht gerade zu meinem Wohlbefinden beigetragen. Was ich jedoch am allerschlimmsten fand, war Ylenias augenscheinliches Entzücken, das ihr mein sittenloses Verhalten bereitete. Ich war schockiert. Niemals hätte ich gedacht, sie könnte daran Gefallen finden. Pfui!
Sie kicherte und stellte mir die Frage, was auf einmal in mich gefahren sei, so kenne sie mich gar nicht.
Norrizz! Er ist in mich gefahren , schrie ich in meinem Gefängnis, doch mein Mund bewegte sich nicht. Norrizz zuckte stattdessen nur die Achseln.
Am folgenden Tag erreichten wir die Dunkelheit . Schon Stunden, bevor wir an die Grenze Calaniens gelangten, ließ der Baumbestand beängstigend nach, bis sich schließlich nichts mehr als nackter grauer Stein unter unseren Füßen befand. Nicht einmal ein Grashalm wagte sich zwischen den Ritzen hervor. Eine unwirtliche Gegend, leer und seltsam still. Kein Wind wehte uns um die Ohren und kein Geräusch erfüllte die Luft. Der Himmel war von einheitlicher grauer Farbe. Alles in mir schrie danach, auf dem Absatz kehrtzumachen und diesen düsteren Ort zu verlassen, doch meine Beine gehorchten mir nicht.
Norrizz richtete den Blick nach oben. Die schwarze Wand, die direkt vor uns aufragte, verlor sich irgendwo in den Wolken. Nie zuvor hatte ich ein derart tiefes Schwarz gesehen. Angst packte mich, doch weder schlug mein Herz schneller noch schwitzten meine Hände. Meine Empfindungen hatten keinerlei Auswirkungen auf meinen Körper.
Andächtig blieben wir eine Weile vor der Wand stehen, den Abstand von einigen wenigen Yards wahrend.
»Das ist einfach gigantisch.« Ylenias Tonfall offenbarte die Ehrfurcht, die sie empfand. Sie wandte Norrizz den Kopf zu, ein Ausdruck der Genugtuung und Selbstzufriedenheit huschte über ihr Gesicht. »Und du hattest nicht mitkommen wollen! Pah!« Sie grinste ihn an und stieß mit dem Ellenbogen in seine Rippen.
»Du hattest ja recht«, erwiderte er kleinlaut. »Du hast deinen Willen mal wieder durchgesetzt. Was nun?«
Zu meiner Verwunderung wandte Ylenia sich an Arc, der die ganze Zeit über ein paar Schritte neben uns gestanden und die schwarze Wand angestarrt hatte, als handelte es sich dabei um einen lange vermissten Freund.
»Ich habe noch etwas mit ihm vor.« Sie deutete mit dem Kinn auf den Technoiden. Ich spürte Norrizz’ Verblüffung, die nicht minder ausgeprägt war als meine. Ylenia positionierte sich vor Arc, der den Blick nun endlich von der Wand riss und sie fragend ansah.
»Darf ich dich berühren?«
Arc antwortete ihr nicht. Er sah zu Norrizz herüber, als wollte er ihn um Erlaubnis bitten.
»Ich habe zwar keine Ahnung, was genau du damit bezwecken möchtest, aber meinen Segen hast
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