Fynia - wo die Schafe sterben gehen (Fantasy-Roman) (German Edition)
leuchtend auf das alte Schaf zu. Es nahm alles Leuchten um uns herum mit. Sogar meine Kraft zapfte es an. Ich konnte mich gerade eben noch auf den Beinen halten. Ein Flimmern vor meinen Augen entstand und ich spürte, dass ich kurz vor einer Ohnmacht stand.
„Zweiundsiebzig…“, flüsterte Fynia schwach und sah das alte Schaf an. Das Schaf blickte wohlwollend zurück. In seinem Blick lag Weisheit und plötzlich durchflutete mich eine noch nie gefühlte Güte und vor allem Dankbarkeit für das Schaf. Es war, als würde ich Fynias Gefühle in mir spüren.
Dann taxierte es mit scharfem Blick Allan. Dieser konnte gar nicht so schnell verstehen was geschah. Ich sah es in seinem Kopf rattern, er versuchte das alles mit Sinn zu füllen, doch er versagte. Wahrscheinlich das erste Mal in seinem Leben.
Als das gleißende Licht Zweiundsiebzig erreicht hatte, explodierte es in tausend Farben, bündelte sich erneut und drang in Allans Körper ein.
Schockiert starrte er auf seine Brust. Eine Hand wanderte tastend zu der Stelle, an der das Licht eingedrungen war. Augen und Mund des Jungen standen weit geöffnet und spiegelten den stummen Kampf in seinem Innern wieder.
Die Welt schien für diesen Moment die Luft angehalten zu haben. Nichts geschah, auch der Wind hatte eine Pause eingelegt. Doch gerade als sich Allans Gesichtszüge normalisierten und er siegesgewiss auflachte, zerriss es ihn von innen heraus. Sein Körper hielt dieser Belastung in seinem Innern nicht stand. Er verging binnen Sekunden in dem Licht, das aus ihm herauszubrechen schien.
Entsetzt starrte ich auf das Geschehen. Ich konnte nicht glauben, was meine Augen sahen, was mein Gehirn mir weiß machen wollte. Es konnte einfach nicht Realität sein.
Das Licht, nun zu einer perfekten Kugel geformt, fest und flüssig, bunt und weiß zugleich, schien sich innerlich zu bewegen. Es schien zu kämpfen und plötzlich riss sich etwas schwarzes, abgrundtief Böses aus ihm heraus und verpuffte in der Welt.
Das übrig gebliebene, weiße Licht schwebte noch für eine Sekunde in der Luft, dann strömte es, wie ein Wasserfall aus reiner Energie auf Zweiundsiebzig zu, die es wohlig summend in sich aufnahm.
Auch Zweiundsiebzigs Körper schien in dem Licht zu vergehen, weniger brutal als Allans. Es wirkte eher wie eine Wiedervereinigung. Und dann war sie fort, einfach aufgegangen in dem Licht, ohne Schmerz und ohne Geräusche.
Das helle Licht strömte wieder auseinander, färbte sich wieder blau und legte wieder diese Leitung. Doch in der Leitung war noch etwas. Etwas kämpfte sich mit Mühe den Sendemast empor. Doch an einer Stelle hielt es inne. Dort brach das blaue Licht abrupt ab. Etwas wie ein lautloser Schmerzensschrei durchdrang die Welt und mein Innerstes. Es war brutal und voller Leid. Ich wollte helfen, wollte, dass es endete, denn die ganze Welt, alle Wesen und Unwesen schienen mitzuleiden.
Auch in Fynia war dieser Schmerz, denn sie richtete sich mit letzter Mühe und einem gequältem Gesicht auf. Ich sah, wie etwas von ihr auszugehen schien, etwas wie pure Energie, schimmernd in einem wundervollen sanften Violett und zu dem Knubbel in der Leistung entschwinden.
Erneut schlug ein Blitz in den Sendemast ein, fast gleichzeitig mit einem gewaltigen Donnerschlag. Zusammen durchbrachen sie die unsichtbare Barriere in dem blauen Licht, welches nun ungehindert zur Spitze empor strömen konnte. Dort angekommen verflüchtigte sich der Knubbel. Weißes und schwarzes Licht trat aus der Spitze hervor und verschwand zuckend, wie kleine Abbilder ihres Ursprungsblitzes im Nachthimmel.
Plötzlich war alles um uns herum ruhig. So ruhig, dass es in meinen Ohren drückte.
Endlich lösten die Schafe ihre Reihen auf.
Endlich kehrte das Gefühl in meine Beine zurück, sodass ich zu Fynia rennen konnte, aber Jasper war schneller. Er sprintete durch die letzten noch verbleibenden Schafe, ohne Rücksicht zu auf sie zu nehmen und drückte die soeben vollends zu Boden gesunkene Fynia an sich.
Ich wollte den Blick von ihr abwenden, aber ich konnte nicht. Ich sah nicht ein Lebenszeichen in ihr. Sie war einfach zusammengebrochen. Ihr Brustkorb wurde von keiner frische Brise gehoben. Zum dritten Mal in dieser Nacht war mir zum Heulen. Ich kämpfte gegen die Tränen an, die eine schreckliche Vorahnung ankündigten.
„Jasper, ist sie…?“, flüsterte ich, doch er schrie einfach nur.
„Nein… nein…!“ Er betastete ihren ganzen Körper, drückte sie an sich und weinte, wie
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